2024-06-28 22:51:42
Woran man merkt, dass Tour de France ist? An allem! Dieses Rennen ist so unglaublich groß und so wichtig – dem kann sich im Radsport niemand entziehen. Dass ich nun zum zehnten Mal bei der Tour an den Start gehen darf, macht mich sehr froh und stolz.
Schon die Tage vor dem Grand Départ sind so speziell, so andersartig als bei jedem anderen Rennen. Am Donnerstag haben wir als Team vormittags trainiert, zwei Stunden lang, nix Wildes. Aber dann waren wir von 14 Uhr an nur noch unterwegs. Fotoshootings, Videodrehs, auch in der fantastischen Kulisse des Palazzo Vecchio in Florenz. So viele edle Rennmaschinen haben in diesem alten, prächtigen Gemäuer sicher noch nie gestanden. Die Tour beginnt ja in diesem Jahr erstmals in ihrer langen Geschichte in Italien. Die ersten drei Etappen führen nach Rimini, Bologna und Turin, ehe es dann über die Alpen nach Frankreich geht.
Im Palazzo Vecchio fand auch das traditionelle Briefing von Tour-Chef Christian Prudhomme vor allen Rennfahrern statt. Er hat noch mal auf die enorme Bedeutung des Rennens für unseren Sport hingewiesen. Die mediale Reichweite der Tour sei größer als bei allen anderen Rennen des Jahres zusammen.
Prudhomme hat uns aber nicht nur eingestimmt auf die kommenden drei Wochen Rennen, sondern auch appelliert: An Fairness und gegenseitigen Respekt im Peloton. Das ist der entscheidende erste Schritt, um Stürze zu vermeiden. Und gerade die furchtbaren Massenstürze, die wir in den vergangenen Jahren bei der Tour erlebt haben, legen ja einen negativen Schatten auf diese Sportinstitution. Mal sehen, wie es in diesem Jahr wird. Dass sich groß etwas ändert, wage ich nicht zu hoffen. Für die Fahrer und Teams ist es so wichtig und außergewöhnlich, bei der Tour etwas zu gewinnen, dass die Risikobereitschaft steigt und größer ist als bei anderen Rennen. Das macht die Tour auch so gefährlich, dass man unverschuldet zu Boden gehen kann und schlimmstenfalls verletzt ausscheidet.
Von Beginn an ein „höllisches Tempo“
Am Donnerstagabend sind wir dann vom Palazzo Vecchio durch die Stadt, vorbei an vielen jubelnden Fans hinauf zum Piazzale Michelangelo gefahren, wo die Teampräsentation stattfand. Nach dem vielen Sitzen zuvor war es sogar ganz angenehm, dort bergauf zu fahren und die Beine etwas zu bewegen. Jedes Team ist von einem italienischen Nachwuchsfahrer geführt worden. Es war schön zu sehen, wie aufgeregt und stolz der junge Kerl war – und wie sehr er sich gefreut hat, als ich ihm als Dank meine Trinkflasche geschenkt habe. Von der Bühne hatte man einen beeindruckenden Blick hinunter nach Florenz mit all seinen Wahrzeichen und spektakulären Gebäuden.
Beim Training am Freitag, am Tag vor dem Start, gilt es, den Körper in Schwung zu bringen. Das sehr idyllisch gelegene Hotel meines Teams dsm-firmenich – PostNL liegt etwa 40 Minuten außerhalb der Stadt – das erleichtert das Training, weil man in Florenz nicht wirklich schnell Fahrrad fahren kann.
Das letzte Training, etwa anderthalb Stunden lang, beginnt mit einem Erwärmungsintervall. Dann folgt ein „30/30“, wie wir sagen. 30 Sekunden lang 80 bis 90 Prozent Intensität treten, dann 30 Sekunden langsam – das Ganze fünf Minuten lang. Am Ende der Einheit folgen noch zwei Sprints. Unsere vier bergfesten Fahrer trainieren sogar deutlich länger – die müssen richtig in Tritt sein, wenn die Tour am Wochenende gleich mit zwei schweren Etappen beginnt.
Ich rechne damit, dass von Beginn an ein höllisches Tempo angeschlagen werden wird, um im Peloton schon mal gehörig auszusortieren. Die Teams der Favoriten Pogacar und Vingegaard werden sich nichts schenken. Wir vier anderen, die Sprint- und Klassikerfraktion im Team, also die „dicken Jungs“, wollen das Startwochenende so gut es geht überstehen. Denn bei der ersten Sprintetappe am Montag wollen wir so frisch wie möglich sein. Ich bin bereit.
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