2024-08-27 12:23:51
Ohne Wasser kein Leben. Auch Überleben ist ohne Feuchtigkeit schwierig. Fortpflanzungszyklen können wasserlose Zeiten zwar überdauern – so gibt es etliche Pflanzensamen, die jahrelang keimfähig bleiben, und hier ist eine trockene Lagerung sogar Voraussetzung. Doch Organismen selbst überleben so etwas in der Regel nicht, jedenfalls nicht als Vielzeller.
Ausnahmen bilden nur einige merkwürdige Lebensformen wie die submillimetergroßen Bärtierchen, die in eine Kryptobiose fallen und darin sogar Weltraumbedingungen tagelang überstehen können. Makroskopische Wesen, sollte man meinen, können so etwas nur im Science-Fiction, etwa in dem unlängst verfilmten Roman „Drei Körper“ des chinesischen Autors Liu Cixin. Dort sind Außerirdische imstande, sich reversibel zu dehydrieren, wenn die Verhältnisse auf ihrer instabil kreisenden Heimatwelt einmal wieder zu lebensfeindlich werden.
Drying without Dying
Tatsächlich gibt es aber Moose, die in puncto De- und Rehydrierbarkeit gar nicht so weit von Lius Trisolariern entfernt sind. Die Art Syntrichia ruralis ist bekannt dafür, nach mehr als einem Jahrzehnt ausgetrockneter Existenz noch lebensfähig zu sein. Sein Gattungsgenosse Syntrichia caninervis kann indes noch ganz andere Dinge, die unlängst ein Team chinesischer Forscher um Xiaoshuang Li vom Labor für Wüsten- und Oasenökologie in Ürümqi im Fachjournal The Innovation beschrieb.
S. caninervis gedeiht in Trockengebieten, vermag mittels feiner Haare noch Spuren von Feuchtigkeit aus der Luft zu sammeln und beherrscht ebenfalls das „drying without dying“: Es kann mehr als 98 Prozent seines Wassers verlieren. Dann sieht es so schwarz und abgestorben aus, dass jeder Gärtner es entsorgen würde. Befeuchte man es nun aber, wird es innerhalb von wenigen Sekunden wieder grün.
Wie das chinesische Team aber feststellte, kann man das Moos selbst dann wieder ins Leben zurückholen, wenn man es bis zu fünf Jahre bei minus 80 °C oder bis zu 30 Tage bei minus 196 °C gelagert hatte. Zudem malträtierten die Forscher das Moos mit Gammastrahlen. Energiedosen von bis zu tausend Gray steckte es locker weg und erwies sich damit als ähnlich strahlenresistent wie Bärtierchen – Menschen überleben selbst fünf Gray nur in fünfzig Prozent der Fälle.
Trockenheit, Kälte und hohe Strahlenpegel sind die Bedingungen, die auch auf dem Planeten Mars anzutreffen sind, wobei dort noch eine extrem dünne Atmosphäre hinzukommt. Würde Syntrichia caninervis das auch überleben? Xiaoshuang und Kollegen probierten es aus und packten das Moos in einen Tank, in dem sich Marsbedingungen nachstellen lassen. Und tatsächlich: Nach bis zu einer Woche auf dem simulierten Mars waren die Pflanzen anschließend nach spätestens 30 Tagen alle wieder fit.
Die Reha musste allerdings unter feuchtfreundlichen Erdbedingungen erfolgen. Einem Marsrover also einfach ein paar Soden S. caninervis mitzugeben und dort in den roten Staub pflanzen zu lassen würde wenig bringen. Trotzdem ist das chinesische Team überzeugt, das toughe Moos könnte sich als Pionierpflanze eignen, nachdem erste Schritte zur Herstellung etwas erdähnlicherer Verhältnisse auf dem Mars eingeleitet sind.
Ein solches Terraforming haben zuletzt wieder amerikanische Forscher einige Wochen nach dem Erscheinen der chinesischen Publikation thematisiert, als sie eine neue Idee dazu vorstellten, wie sich auf dem Mars ein ordentlicher Treibhauseffekt lostreten ließe, der seine Atmosphäre wärmer, dichter und am Ende auch feuchter machte. Damit müsste man allerdings anfangen. So, wie er ist, ist der Rote Planet noch lange kein Ort für Lebendiges, nicht einmal für Moose.
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