Éclats du salon du livre de Francfort, jour 3

2024-10-18 16:40:00

Man kennt das: Jemand sagt, dass man den diem carpen muss, und schon verfliegt die Lust an der Unterhaltung. Wenn Katja ­Lewina, die bislang mit Büchern über Sex aufgefallen ist, von der Endlichkeit und der daraus sich ergebenden Sicht auf die Dinge spricht, verhält es sich anders. Seit Kurzem weiß sie, dass sie an einer Herz­erkrankung leidet. Deswegen lebt sie mit einem implantierten Defibrillator. Den Befund erhielt sie, nachdem ihr Sohn im Alter von sieben Jahren überraschend gestorben war.

Im Gespräch mit Anja Höfer über ihren Essay „Was ist schon für immer“ sagt sie, wer sich seine Endlichkeit vergegenwärtige, gelange zur Ehrlichkeit – es bleibe schlicht keine Zeit für „Bullshit“. Und das klingt aus ihrem Mund nicht nach Erbauungsquark, sondern nach radikaler Akzeptanz. Übrigens gibt es Apps, die uns täglich an den Tod erinnern: „Don’t forget, you’re going to die.“ Das war für Lewina dann doch zu viel. Die App: deinstalliert. Das Leben: geht weiter. span.

Die Kunst des Einordnens

In der neu bespielten Halle 1 ging es um „Subgenres und Tropes“ auf dem Feld der boomenden New-Adult-Literatur, also die gängige Verschlagwortung von Büchern zwecks zielgenauer Ansteuerung von Vorlieben. Hübsch nehmen sie sich aus, die Einordnungen, die da ab­gemischt werden. Subgenres wie „Dark Academia“ oder „Spicy Romantasy“ etwa und Tropes wie „Rivals/Enemies/Strangers-to-Lovers“, „Forbidden Love“, „Forced Proximity“ oder „Insta-Love“ versus „Slow Burn“.

Rührend doch, was sich da durchhält – und fein abgestimmt werden kann: Rivals-to-Lovers in einer Sports Romance ginge zwar, aber besser ist’s genauer, also etwa: Spicy Hockey Romance. So findet das Buch zu den „Lesenden“, die wissen, was sie lesen wollen. Und der Redakteur greift sich noch schnell einen Button mit dem anziehend merkwürdigen Aufdruck „Speak wordy to me“. hmay.

Literarischer Verlagsschwund

Auf der Suche nach dem Stand von Schöffling (Verlagsort Frankfurt, aktueller Spitzentitel der nachgelassene Frankfurt-Roman von Peter Kurzeck) hilft am Ende nur der Blick ins Ausstellerverzeichnis: Halle 3.1, G 95. Dort angekommen, sieht man, was von Schöffling auf Frankfurts Buchmesse bleibt: der Katzen­kalender in der Wühltischatmosphäre des „Gemeinschaftsstands der IG Kalender im Börsenverein des Deutschen Buchhandels“. Schöffling-Bücher? Fehlanzeige.

Dann nach Galiani gesucht. Gut, das ist ein Imprint von Kiepenheuer & Witsch. Halle 3.0, A 121. Der neue Stand vermittelt die kühle Warenstimmung von An­dreas Gur­skys berühmtem Foto „99 Cent“ oder der „Pharmacy“ von Damien Hirst. KiWi ist aber kein Kunstbuch-, sondern ein Literaturverlag. Für Galiani gibt es eine schmale Seitenwand. Da drängen sich in Überkopfhöhe nebeneinander Bücher von Frank Schulz, Sven Regener, Jan Koneffke, Nele Pollatschek. Literatur. Weit weg. apl.

Heute schon sich festgelesen?

Wer sich festliest, hat nichts zu meckern. So jemand hat die Einzelperspektive gewonnen – ich und dieses Buch hier –, das Große und Ganze und also den Kosmos des Meckerns unterlaufend. Sich festlesen, an dem einen Stand, mit der einen Einbildung (und das allenfalls zu zweit), bedeutet Aneignung des einen Phasenmoments und dann des nächsten.

Es bedeutet, keine Verpassungsängste aufkommen zu lassen, über dieser einen, langen, vertiefenden Lektüre nicht die Nerven zu verlieren, sondern schuldlos dranzubleiben am beruhigenden Detail, sich darin zu versenken statt es aufzulisten im Register von allem und jedem. Sich festlesen bedeutet, nicht als Kollektiv angesprochen werden zu wollen (liebe Besucher), sondern Einzelner zu bleiben im Strom der Umbesetzungen von Messemensch und Buch. Auch das gibt es: Gegenüber am Stand von Dumont legt jemand Tessa Korbers „Das Leben im Großen und Ganzen“ nicht aus den Händen. gey.



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