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Nécrologie de Amadou Mahtar M’Bow

by Nouvelles

2024-10-29 21:07:00

Amadou Mahtar M’Bow, der erste afrikanische Generaldirektor der UNESCO und eine Ikone der afrikanischen Bildungs- und Kulturpolitik, ist am 24. September 2024 in Senegal im Alter von 103 Jahren verstorben. Als einer der großen Zeitzeugen des zwanzigsten Jahrhunderts war M’Bow an vielen entscheidenden Kämpfen seiner Zeit beteiligt: als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, im Kampf für die Unabhängigkeit der kolonisierten Länder, im postkolonialen Bemühen um die Rechte marginalisierter Kulturen, in kritischen Überlegungen zum Verhältnis zwischen Technologien, Kommunikation und Macht.

Der 1921 in Senegal geborene M’Bow begann seine akademische Laufbahn in Frankreich, bevor er sich als Geschichtsprofessor und später als Bildungsbeamter dem senegalesischen Widerstand gegen die französische Kolonialherrschaft anschloss und rasch in hohe politische Ämter aufstieg. Er wurde Abgeordneter und unter Präsident Léopold Sédar Senghor Minister für Bildung und Kultur, bis er 1970 zur UNESCO nach Paris wechselte. Seine Wahl zum ersten afrikanischen Generaldirektor einer UN-Organisation vier Jahre später bedeutete einen Wendepunkt für die UN-Kulturorganisation.

Umfassende Darstellung der afrikanischen Geschichte

Während seiner dreizehnjährigen Amtszeit (1974 bis 1987) setzte er sich, mitten im Kalten Krieg, für eine Weltordnung ein, in der Bildung und Kultur als Grundpfeiler für Entwicklung und Frieden dienen sollten. Er legte dabei besonderen Wert auf die Anliegen der jungen, dekolonisierten Nationen und plädierte für kulturelle Vielfalt als Gegenentwurf zur westlichen Dominanz. Unter seiner Führung brachte die UNESCO tiefgreifende Veränderungen und großangelegte Projekte voran, darunter die Veröffentlichung der achtbändigen „General History of Africa“. Dieses historiographische Großprojekt zielte darauf ab, eine umfassende Dar­stellung der afrikanischen Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart zu bieten, die bisherige eurozentrische Sichtweisen korrigierte und afrika­nische Perspektiven in den Vordergrund stellte. Die Einbeziehung afrikanischer Historikerinnen und Historiker trug wesentlich dazu bei, das Verständnis der afrikanischen Geschichte zu vertiefen und die Rolle Afrikas in der Weltgeschichte angemessener als bisher zu würdigen.

M’Bow war ein leidenschaftlicher Verfechter der Idee, dass Bildung ein Menschenrecht ist und dass alle Kulturen gleichwertig sind. Er setzte sich für den Erhalt des kulturellen Erbes ein und forderte die Rückgabe von Kunstwerken, die während der Kolonialzeit oft gewaltsam aus Afrika entwendet worden waren. Eines der bedeutendsten Vermächtnisse M’Bows ist zweifellos sein leidenschaftlicher „Aufruf zur Rückgabe unersetzlichen Kulturerbes“, den er 1978 am Sitz der UNESCO in Paris vortrug.

M’Bows Appell fand weltweit Gehör

Diese Rede, ein Meilenstein in der Geschichte der Restitutionsdebatte, proklamierte die Notwendigkeit der Rückgabe von Kulturgütern an die Herkunftsländer: „Die Völker, die Opfer dieses manchmal jahrhundertealten Raubs wurden, wurden nicht nur um unersetzliche Meisterwerke beraubt; sie wurden auch ihres Gedächtnisses beraubt, das ihnen zweifellos geholfen hätte, sich selbst besser zu verstehen (…) Diese Völker wissen natürlich, dass die Bestimmung der Kunst universell ist; sie sind sich bewusst, dass diese Kunst, die ihre Geschichte und ihre Wahrheit erzählt, dies nicht nur für sie selbst und an sie richtet. Sie freuen sich darüber, dass auch andere Menschen anderswo das Werk ihrer Vorfahren studieren und bewundern können. (…) Dennoch fordern diese beraubten Menschen, dass ihnen zumindest die Kunstschätze zurückgegeben werden, die ihre Kultur am besten repräsentieren, die ihnen am wichtigsten sind und deren Abwesenheit für sie psychologisch am unerträglichsten ist. Diese Forderung ist legitim.“

Trotz mancher Versuche, seine Botschaft zu karikieren oder zu verdrehen, fand M’Bows Appell weltweit Gehör und löste eine Bewegung aus, die schließlich zur Gründung des Zwischenstaatlichen Komitees zur Förderung der Rückgabe von Kulturgütern führte. In Westdeutschland war es die wie er 1921 geborene Grande Dame des deutschen Liberalismus, die damalige Staatsministerin Hildegard Hamm-Brücher, die versuchte, seinem Appell Taten folgen zu lassen. Nach ihrer Rückkehr von der Weltkonferenz für Kulturpolitik in Mexiko-Stadt im August 1982, wo sie ein „vertrauensvolles, teilweise herzliches Gespräch“ mit M’Bow geführt hatte, wie sie nach Bonn telegrafierte, überraschte die FDP-Politikerin mit einer neuen, offenbar intern nicht abgestimmten und von den Eindrücken der Konferenz geprägten Haltung des Auswärtigen Amtes zur Restitution: Sie ignorierte die bisherigen ablehnenden Empfehlungen ihres Ministeriums, sprach sich in einem Interview öffentlich für „Großzügigkeit bei der Rückgabe von Kulturgütern“ aus und stellte sogar die Möglichkeit in Aussicht, Kulturgüter zum hundertsten Jahrestag der sogenannten Berliner Konferenz im Jahr 1984 zurückzugeben.

Die wesentliche Frage nach der Macht

M’Bows Aufruf ist bis heute ein grundlegendes und bewegendes Dokument in den weltweiten Bemühungen um Restitution geblieben. Aber M’Bows Vision ging über die Restitutionsdebatte hinaus. Er veröffentlichte zahlreiche, auch heute noch lesenswerte Bücher zur Frage der Zukunft der Menschheit wie „Where the future begins“ (1982) oder „Le temps des peuples“ (1982), wurde Ehrenbürger unzähliger Städte und Ehrenprofessor an mehreren Dutzend Universitäten weltweit. Er widmete sich auch der ökologischen und informationellen Gerechtigkeit und setzte sich für die Einrichtung der ersten UNESCO-Biosphärenreservate ein. Zudem plädierte er schon früh für eine „neue Weltordnung der Information und Kommunikation“, um der Monopolisierung der globalen Informationsströme durch westliche Nachrichtenagenturen und Technologien entgegenzuwirken. Schon 1978 schrieb dazu er in einem von ihm herausgegebenen Konferenzband mit dem Titel „What kind of world are we leaving our children?“: „Es stellt sich die – meiner Meinung nach wesentliche – Frage der Macht: der Macht derer, die diese Technologie beherrschen, und der Abhängigkeit, in der sich andererseits diejenigen befinden, die diese Technologie nicht besitzen. Die Verteilung des Wissens steht nämlich im Zentrum der gegenwärtigen internationalen Arbeitsteilung, die letztlich die allgemeine Gestaltung der Welt bestimmt, in der wir leben und in der die nächsten Generationen ihren Platz finden müssen.“

Unter den Einschränkungen der Pandemie feierten am 20. März 2021 Staatsmänner und Weggefährten M’Bows hundertsten Geburtstag im Musée des civilisations noires in Dakar – und online. Amadou Mahtar M’Bow war persönlich anwesend. Alle würdigten ihn als tiefgründigen Humanisten und unerschütterlichen Verfechter der Gerechtigkeit, die, wie es der New Yorker Philosophieprofessor Souleymane Bachir Diagne ausdrückte, „ihm wie ein Bedürfnis im Körper eingeschraubt“ sei. Dieses Verlangen nach Gerechtigkeit prägte M’Bows Lebenswerk und bleibt ein Kompass für all jene, die sich weiterhin für ein besseres Verständnis zwischen den Kulturen einsetzen. Sein Wirken und sein Vermächtnis verdienen in Deutschland mehr Bekanntheit.

Bénédicte Savoy ist Leiterin des Fachgebiets Kunstgeschichte der Moderne an der Technischen Universität Berlin und Autorin des Buches „Afrikas Kampf um seine Kunst. Geschichte einer postkolonialen Niederlage“ (C. H. Beck).



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