2024-12-16 11:02:00
Der Bundeskanzler hat den Antrag gestellt, der Bundestag möge ihm an diesem Montag das Vertrauen aussprechen. Er will jedoch, dass eine Mehrheit der Abgeordneten, über die seine Fußgängerampelkoalition nicht mehr verfügt, ihm das Vertrauen verweigert. Um sein Vorhaben zu durchkreuzen, könnten Deputierte der AfD für den Kanzler stimmen, den sie verachten. Damit Scholz garantiert verliert, wollen die mit ihm noch koalierenden Grünen sich notfalls der Stimme enthalten.
Was reichlich paradox anmutet, hat einen verfassungsrechtlichen, vor allem aber politischen Grund: Nur wenn der Bundestag Scholz nicht das Vertrauen ausspricht, kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen und eine Neuwahl anzusetzen. Die aber ist der einzige verbliebene Ausweg aus der Krise und der Lähmung, die mit dem Bruch der Ampelkoalition eingetreten sind.
Schröder verkalkulierte sich nur knapp
Scholz ist nicht der erste Kanzler, der die Vertrauensfrage – eigentlich ein Instrument zur Stabilisierung der Regierung – einsetzt, um nach einer verlorenen Abstimmung durch eine Neuwahl zu einer Neuverteilung der Macht zu kommen, in der Hoffnung natürlich, dass sie ihm erhalten bleibt. Brandt hat von diesem Schachzug profitiert. Schröder verkalkulierte sich, aber nur knapp. Schmidt konnte mit der – gewonnenen – Vertrauensfrage die SPD noch einmal auf seinen Kurs zwingen, wurde danach aber als bislang einziger Kanzler in einem konstruktiven Misstrauensvotum abgewählt. Sein Nachfolger Kohl verlor ebenfalls absichtlich die Vertrauensfrage, um sich die Legitimation zu sichern, die aus einer Neuwahl der Volksvertretung auch für den dann von ihr gewählten Kanzler erwächst.
In die Wahl im Februar zieht Scholz nicht, um sie zu verlieren. Er will „das auch schon rocken“, also danach wieder zum Kanzler gewählt werden. Dafür braucht man ein Selbstbewusstsein, wie er es hat. Scholz ist seit Monaten so unbeliebt bei den Deutschen, dass er auch die SPD mit in den Umfragenkeller zog. Aus dem Kanzlerbonus ist ein Scholzmalus geworden.
Dann kommt irgendwo ein D-Day-Papier her
Doch wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein D-Day-Papier her. Die Aufregung über die Frage, ab wann die FDP dazu entschlossen war, die Koalition zu verlassen, welche Worte sie in ihrem Plan verwandte und wer ihn wann kannte, überdeckte völlig, dass die SPD nur Tage zuvor erwogen hatte, anstelle des unbeliebten Scholz den viel populäreren Pistorius als Kanzlerkandidaten aufzustellen. Im Willy-Brandt-Haus konnte man das Glück kaum fassen, dass nicht länger der Beinahe-Putsch gegen Scholz und auch nicht die miserable Bilanz seiner Koalition im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, sondern die angebliche Perfidie der FDP. Deren Kalkül, für das Abschalten der Ampel belohnt zu werden, ging nicht auf. Der Königsmörder wird nicht geliebt, selbst wenn der König ein schlechter Herrscher war (und auch einen Dolch bei sich trug).
Die Umfragewerte der SPD ziehen dagegen wieder leicht an. Sie würde freilich sehr starken Rückenwind brauchen, um zur Union aufzuschließen oder sie gar zu überholen. Doch sieht es auch nicht so aus, als ob diese sich noch weiter von den Verfolgern absetzen könnte. Merz fliegen ebenfalls nicht gerade die Herzen der Deutschen zu. Die einen verängstigt das Zerrbild, das SPD, Grüne, AfD und BSW von ihm malen und noch weiter ausschmücken werden (Kriegskanzler, Millionärsfreund, Frauenfeind et cetera). Bei Merz’ Ultras dagegen macht sich Enttäuschung breit, dass er immer noch nicht die Zeit zurückgedreht hat bis mindestens zur „geistig-moralischen Wende“ von 1982/83.
Söder tritt immer wieder die Tür zu
Zur Belastung für den CDU-Vorsitzenden ist auch die Debatte geworden, ob die Union nach einem Wahlsieg mit „diesen“ oder anderen Grünen koalieren dürfe. Auch die sind nicht Merzens Wunschpartner. Er will sich aber zur Stärkung seiner Verhandlungsposition ein Türchen offen lassen, während Söder es immer wieder zutritt, um die Wählerschaft der CSU zu mobilisieren. Einen oder sogar zwei Partner würde die Union aber wohl brauchen. Ginge die Wahl aus wie die Umfragen der vergangenen Wochen, dann brächten nur SPD und Grüne genug Prozente und Mandate im Bundestag mit. Dafür hat auch die Kampagne gegen die FDP gesorgt, zu der sie ihre Gegner freilich in fahrlässiger Weise einlud.
Scholz setzt zweifellos darauf, dass die Deutschen beim Rückblick auf die vergangenen drei Jahre so vergesslich sind wie er in der Warburg-Affäre – und dass bis zum 23. Februar noch viel passieren kann. Söder wird nicht den Mund halten. Trump könnte mit allerlei Überraschungen aufwarten. Putin kramt gewiss schon in seinem Werkzeugkasten, um mit den modernen Mitteln der Desinformation und Destabilisierung seinen Vasallen in Deutschland zu helfen. Vielleicht rutscht Merz auch noch etwas heraus, das so erfolgreich skandalisiert werden kann wie Laschets Lachen. Sicher ist derzeit nur eines: dass die Rückkehr der CDU ins Kanzleramt auch dieses Mal noch nicht sicher ist.
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