2025-01-10 14:13:00
Die Welt ist nicht genug. Dieser James-Bond-Titel passt gut auf Elon Musk. Er greift buchstäblich nach den Sternen, hat nicht nur die Elektromobilität revolutioniert, sondern auch den Weltraumtransport und die Satellitentechnik sowie das Streben zum Mars gleichsam aus eigener Kraft monopolisiert.
Das hat zu Reichtum, vor allem aber zu riesiger Macht geführt. Den maßgeblichen kommunikativen Einfluss hat Musk durch die Übernahme des als Kurznachrichtendienst gegründeten Twitter gewonnen, der, seit er X heißt, zwar große Werbekunden verloren, aber an Reichweite gewonnen hat. Andere Plattformen haben mehr Nutzer, aber nicht unter Entscheidern und Meinungsmachern. Hier kocht der Chef – es ist sein Kanal, sein Sprachrohr in die Welt, weit über seine mehr als 200 Millionen Follower hinaus.
Die Welt ist nicht genug
Sein Unternehmertum, seine Zielstrebigkeit und Durchsetzungskraft sind mehr als eindrucksvoll – das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide baute er einfach – auf eigenes Risiko, vorläufig, ohne lange Verfahren im Musterland der Bürokratie abzuwarten.
Die berechtigte Bewunderung über den Unternehmer Musk lässt freilich oft außer Acht, dass ein genialer Tüftler, Verkäufer und Gründer nicht zwangsläufig ein ebensolcher Politiker ist. Zum einen haben sich oft geniale Technokraten in den Dienst autoritärer Regime gestellt – unbegrenzte Mittel sind wichtiger als Menschenrechte. Zum anderen können unternehmerisches Genie und politischer Wahnsinn sowie fundamentale historische Ignoranz eng beieinanderliegen, wie auch Musk gerade wieder gezeigt hat.
Hängt das vielleicht zusammen? Wer wirtschaftlich viel Macht hat, sei sie ererbt (wie eher in Deutschland) oder selbst erarbeitet (wie eher in den USA), der hält sich womöglich über sein Unternehmen hinaus für einen Messias. Erst recht, wenn die Welt nicht genug ist.
Der eigentlich selbstverständliche Befund, dass auch für die Mächtigsten und Reichsten die allgemeinen Regeln gelten, wird durch die Musks dieser Welt herausgefordert. Ein Techunternehmer träumte von einer neuen Welt auf hoher See, und Musk begründete seinen Griff nach dem Mars, wo Menschen eigentlich nicht leben können, mit einer Bewusstseinsänderung.
Doch noch sind wir auf Erden – und schwer damit beschäftigt, die lang und hart erkämpften Grundsätze von der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht durchzusetzen. Auch alle Staaten leben unter der UN-Charta in souveräner Gleichheit, alle Völker genießen das Recht auf Selbstbestimmung.
Der von Musk fast fanatisch vorgetragene Freiheitsgedanke lässt beiseite, dass es auch die Freiheit der anderen gibt. Und es gibt demokratisch beschlossene Grundsätze, die jeder in jedem Land beachten muss, in dem er sich äußert. Die sind durchaus verschieden: In Amerika gilt Nacktheit als schlimmer als ein Aufruf zum bewaffneten Aufstand. Auch innerhalb der Europäischen Union herrschen recht unterschiedliche Ansätze etwa von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz. Die Neigung, im Zweifel mehr zu regulieren, ist eine Brüsseler Eigenheit, die aber dem Wesen der Grundrechte nicht gerecht wird.
Nicht mit zweierlei Maß messen
Verständlich ist freilich, dass Musks Gebaren als Einmischung verstanden wird. Man sollte hier aber auch nicht mit zweierlei Maß messen. Auch Bill Gates und George Soros unterstützen mit viel Geld Medien in aller Welt – sicher nicht, um ganz anderen als ihren eigenen Zielen zu dienen.
Was Musk wiederum von ihnen unterscheidet: Er greift auf seiner eigenen Plattform unmittelbar und ganz massiv ausländische Politiker an und in die Innenpolitik verbündeter Länder ein. Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck nannte er „Narren“, auf den britischen Premierminister Starmer hat er sich seit einiger Zeit eingeschossen – und da er offenbar nur die AfD in der Lage sieht, Deutschland zu retten, war sein bemerkenswert schlichter Kicher-Talk mit der „möglichen Kanzlerin“ Alice Weidel nur folgerichtig.
Man kann das sportlich nehmen. Das X-Gegacker sprach für sich. Die Zuhörer haben durch Fernbleiben abgestimmt. Zudem ist es auch deutschen Politikern nicht fremd, sich dezidiert zu inneramerikanischen Angelegenheiten zu äußern.
Hier geht es aber auch um wichtige Grundfragen, die wie bei jedem anderen kontrolliert werden: Manipuliert Musk etwa den Algorithmus von X? Doch unabhängig von Äußerungen, die sich an dem Recht der betroffenen Staaten sowie am Europarecht messen lassen müssen: Nicht zuletzt ist und bleibt Musk das Sprachrohr Trumps.
Der Unternehmer und Ober-Influencer verstärkt dessen Ansinnen, bis hin zu militärischen Drohungen gegenüber verbündeten Staaten. Ein absolut freiheitswidriger Verstoß gegen unsere Grundwerte, der nicht ohne Antwort bleiben darf.
#rire #parle #luimême
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