2025-01-16 20:27:00
Herr Mrosko, Sie haben als Scout in der Bundesliga gearbeitet, den Fußballfans sind Sie in dieser Rolle auch aus dem Buch von Ronald Reng bekannt: Mroskos Talente. Inzwischen sind Sie in einer ganz anderen Fußballwelt unterwegs.
Wir reden aber immer noch über Fußball. Ich bin Inklusionsbeauftragter in Brandenburg und Landesauswahltrainer der Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, hauptamtlich bin ich bei der AOK Nordost. Es sind andere Plätze, die wir bespielen, aber der Fußball ist der gleiche geblieben.
Sie haben mit dem Brandenburger und dem Berliner Fußballverband ein Projekt initiiert, bei dem Menschen mit geistiger Beeinträchtigung eine Trainerlizenz erwerben können, den DFB-Basiscoach. Wie kam es dazu?
Das war in erster Linie ein Versprechen an ein paar meiner Jungs. Ein paar von denen hatten schon in anderen Institutionen, bei anderen Anbietern ein Übungsleiterzertifikat gemacht und sind damit zu einem Verein gegangen und haben gesagt: Wir möchten Trainer werden, eine Kindermannschaft trainieren. Die wurden belächelt und einfach weggeschickt. Die hatten zwar eine Urkunde, aber keine richtige Lizenz. Es hieß: Wenn du eine Lizenz hast, kannst du wiederkommen. Damit kamen drei von denen zu mir und haben gesagt: Trainer, wir wollen eine Lizenz machen. Und ich habe gesagt, vor anderthalb Jahren war das: Ich kümmere mich darum.
Und jetzt lösen Sie das Versprechen ein?
Ob ich das einlöse, müssen wir sehen. Ich glaube, wir können das. Vielleicht nicht bei allen Kandidaten, bei manchen ist die Beeinträchtigung zu groß. Aber wir wollen eine Tür öffnen und zeigen: Ihr habt die Chance. Und wenn es auf diesem zweiten Bildungsweg nicht klappt, dann werden wir auch einen dritten oder vierten probieren.
Im März geht es los, es gibt erstmal drei Kurse, für jeweils zwölf Tandempaare, immer ein Partner mit Beeinträchtigung, einer ohne. Inwieweit ist das ein neues Konzept?
Da haben wir das Rad nicht neu erfunden, das gibt es auch in anderen Bereichen, auch bei der Sepp-Herberger-Stiftung mit der Young-Coach-Ausbildung. Das ist aber keine vollwertige Lizenz. Bei uns geht es darum, dass die Mädchen und Jungen, die Trainer werden wollen, auch eine anerkannte Trainerlizenz bekommen können. Das ist zum einen eine Anerkennung, letztlich aber auch eine Daseinsberechtigung als Trainer in der Fußballwelt. In Deutschland wird da oft von der negativen Seite gedacht, da heißt es: Ohne etwas Schriftliches, ohne feste Lizenzen geht gar nichts. Und darum kümmern wir uns jetzt. Das ist bundesweit einmalig. Wir fangen in Brandenburg und Berlin an, aber unser Wunsch ist es, das auch in die anderen Landesverbände des DFB zu tragen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Wir sind die Inhalte durchgegangen und haben geschaut, wo wir etwas anpassen müssen. Es gibt ja ganz unterschiedliche Beeinträchtigungen und Krankheitsbilder. Generell kann man sagen, wir gehen weg von der vielen Theorie und in die Praxis. Wir leben von Wiederholungen, weil es manchmal eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne gibt. Wir benutzen eine einfache Fußballsprache, wir reden nicht vom peripheren Sehen oder vom abkippenden Sechser. Wir versuchen, viele Dinge zu visualisieren. Und wir gehen das Ganze mit deutlich mehr Geduld an.
Aber im Prinzip ist der Inhalt derselbe?
Die Kriterien für eine Lizenz sind klar definiert, die gelten auch hier. Das Ergebnis muss das Gleiche sein, wir gehen nur einen anderen Weg. Wir versuchen, Hürden aus dem Weg zu räumen.
Bei der Vorstellung in dieser Woche hieß es, dass es auch Widerstände gab. Beim DFB hat man, wenn das richtig zu verstehen war, auch nicht laut Hurra gerufen.
Natürlich gibt es auch Skepsis, ist doch klar. Wir betreten Neuland, es ist eine große Herausforderung. Von daher finde ich die Skepsis, die geäußert wurde, vielleicht auch vom DFB, völlig in Ordnung. Wir müssen uns unseren Ängsten und der Skepsis stellen. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um?
Um mal eine skeptische Haltung zu formulieren: Eine Trainerlizenz zu machen ist das eine, dann tatsächlich auch vor einer Mannschaft zu stehen, diese Sachen zu vermitteln, etwas ganz anderes. Sehen Sie da eine mögliche Hürde, oder ist das nur eine in den Köpfen?
Beides. Sicherlich ist es eine Hürde. Aber wenn wir jetzt nur darüber sprechen, wie schwer das ist, werden wir es nicht lösen können. Es ist doch so: Alle, die eine Lizenz machen, ob das C-Lizenz, A-Lizenz oder Fußballlehrer ist, mussten irgendwann diese Hürde nehmen, vor einer Mannschaft zu sprechen. Vielleicht dauert es bei dem einen oder anderen länger. Aber wir sind überzeugt, dass diese Hürde zu nehmen ist.
Wie steht es insgesamt um das Thema Inklusion im Fußball?
Ich glaube, dass viele über Inklusion reden, aber nicht Inklusion leben. Manchmal ist es sogar eher Exklusion: Weil man Menschen anders behandelt, als sie es eigentlich verdient haben, wenn sie ein Teil der Gesellschaft sein sollen. Für mich ist es Augenwischerei, wenn ein Bundesligist Menschen mit Down-Syndrom als Ballkinder nimmt und einen Rollstuhlfahrer ins Stadion fährt, wenn das sonst nicht gelebt wird. Da sind wir in anderen Bereichen der Gesellschaft viel weiter. Wir machen im deutschen Gesamtfußball deutlich zu wenig für Inklusion.
Was wäre Ihrer Meinung nach zu tun?
Wir müssen darüber reden, die Köpfe zusammenstecken, an die Grenzen gehen und über die Grenzen hinaus. Wenn man überlegt, was der Fußball für ein Milliardengeschäft ist, und wenn wir den Anteil berechnen würden, was wir wirklich für Inklusion und Behindertensport tun, dann ist das erschreckend. Wenn es nach mir gehen würde, würde ich sagen: Jeder Verein von der ersten bis zur dritten Liga braucht einen hauptamtlichen Inklusionsbeauftragten.
Hatten Sie das Gefühl auch schon, als Sie noch für Bundesligavereine gearbeitet haben?
Ehrlich gesagt habe ich mich früher nie dafür interessiert. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich zuerst auch Berührungsängste hatte. Als ich Kinder mit Handicap zur Schule gefahren habe – die erste Woche war für mich sehr komisch. Wenn du zum ersten Mal einen Autisten oder einen Menschen mit Down-Syndrom im Auto hast, hast du einfach Berührungsängste. Das ist das, was ich meine: Manchmal ist es gar nicht Skepsis, sondern die Berührungsangst. Da müssen wir den Turnaround hinkriegen. Wir leben in so einer tollen Welt und denken gar nicht darüber nach. Erst als ich aus dem großen Fußball raus war, habe ich angefangen nachzudenken und mir gedacht: In welcher Welt hast du eigentlich gelebt?
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