2025-01-29 16:01:00
Die Hoffnung der Bundesregierung, vor der Wahl noch ein Signal für wirtschaftlichen Aufbruch geben zu können, geht nicht auf. Der am Mittwoch von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin vorgestellte Jahreswirtschaftsbericht ist vielmehr Zeugnis einer anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Nachdem das Ministerium im Herbst für das Jahr 2025 noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um preisbereinigt 1,1 Prozent vorausgesagt hatte, sind es nun nur noch 0,3 Prozent. Für 2026 werden 1,1 Prozent Wachstum vorhergesagt. Während sich das Ministerium einen Anstieg der Konsumausgaben und auch der Anlageinvestitionen erhofft, rechnet es mit sinkenden Exporten. Die Ökonomen im Ministerium erwarten, dass die Arbeitslosenquote 2025 von 6,0 auf 6,3 Prozent steigt. Die Inflationsrate soll der Prognose zufolge mit 2,2 Prozent auf dem Niveau von 2024 bleiben.
Eine der Hauptursachen für die schlechte Lage ist die niedrige Produktivität. Anderen Ländern gelingt es, mit dem gleichen Arbeitsaufwand deutlich mehr zu erwirtschaften als Deutschland. „Seit 2000 wuchs die Arbeitsproduktivität in den USA um 43 Prozent und damit annähernd doppelt so stark wie in Deutschland“, konstatiert der Bericht. Treiber sei maßgeblich die starke Digitalbranche in Amerika. Als weitere Faktoren für die Wirtschaftsschwäche werden das schwierige geopolitische Umfeld sowie die Alterung der Gesellschaft benannt. Durch den demographischen Wandel steige der finanzielle Druck auf die Sozialversicherungssysteme „merklich“. Habecks Ministerium gesteht zudem ein, dass auch die Transformation hin zur Klimaneutralität eine Rolle spielt. „Der notwendige Umbau der Wirtschaft auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität geht mit entsprechenden Kosten einher“, heißt es in dem Bericht.
Zweithöchste Steuer- und Abgabenlast unter allen Industrieländern
Habeck mahnt für die kommenden Jahre ein „beherztes, entschlossenes Vorgehen“ an. Es brauche Impulse für mehr Investitionen. Das Ministerium wirbt dafür, die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen Änderungen an der Schuldenbremse umzusetzen. Größere finanzielle Spielräume für öffentliche Investitionen seien „zwingend“. In der Pressemitteilung zum Jahreswirtschaftsbericht macht das Ministerium noch deutlicher, dass die Schuldenbremse aus seiner Sicht eine Wachstumsbremse ist. „Die Bundesregierung konnte im vergangenen Jahr mit dem Ende der Notlage und der Rückkehr zur Schuldenbremse keine ausreichenden Impulse für eine konjunkturelle Belebung setzen“, heißt es dort. Habecks Partei wirbt ebenso wie die SPD im Wahlkampf offensiv für die Aufnahme zusätzlicher Schulden in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe. Union, FDP und AfD sind gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse.
Auch an einer anderen Stelle klingt im Bericht der Wahlkampf an. Es wird konstatiert, dass Deutschland die zweithöchste Steuer- und Abgabenlast unter allen Industrieländern hat, ein kinderloser Single knapp 48 Prozent seines Einkommens an den Staat abführen muss. „Vor diesem Hintergrund gilt es, die hohe Belastung der Arbeitseinkommen in den kommenden Jahren zu reduzieren oder zumindest zu stabilisieren, wobei die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen Priorität haben sollte.“ Habeck hatte kürzlich eine Debatte ausgelöst, weil die Grünen auch auf Kapitalerträge Krankenversicherungsbeiträge erheben wollen.
Er legt in seinen Forderungen den Schwerpunkt auf das Thema Arbeitskräfte. „Wir können allein schon ökonomisch nicht akzeptieren, dass jeder Fünfte zwischen 20 und 35 ohne Berufsabschluss ist“, sagte Habeck. Auch für Frauen und Ältere brauche es mehr Arbeitsanreize. Mit Blick auf die langen Genehmigungsverfahren in Deutschland fordert er in dem Bericht, die Geschwindigkeit, mit der zuletzt Flüssiggasterminals und Windkraftanlagen gebaut wurden, auf andere Wirtschaftsbereiche zu übertragen.