2025-01-31 13:07:00
Wenn man Bosch -Chef Stefan Hartung eine Sache nicht nachsagen kann, dann die, dass er ein Miesepeter ist. Der Westfale ist zuversichtlich, begeistert sich für neue Techniken und strahlt eine Tatkraft aus, die mitreißend wirkt. Umso bemerkenswerter ist es, wenn der 59 Jahre alte Manager am ältesten Produktionsstandort seines Unternehmens in Stuttgart-Feuerbach bekennt, dass die Aussichten zurzeit ziemlich trüb sind. „Ich gebe zu, es war schon einfacher, Optimist zu sein.“ Der Grund: die unklare politische Lage in Deutschland und der Welt und, damit verbunden, die Unsicherheit für Unternehmen und Verbraucher in fast allen für Bosch relevanten Märkten.
Die Folgen dieser Gemengelage für den baden-württembergischen Traditionskonzern hat Hartung am Donnerstagabend mit der Vorlage der vorläufigen Geschäftszahlen für das vergangene Jahr erläutert. Und klar ist dabei eines geworden: Bosch hat seine Ziele trotz einer sehr zurückhaltenden Planung verfehlt. Der Gesamtumsatz ist um ein Prozent auf nun 90,5 Milliarden Euro gesunken, der operative Gewinn (Ebit) ging sogar um ein Drittel auf 3,2 Milliarden Euro zurück. Das entspricht einer operativen Umsatzrendite von 3,5 Prozent, vor Jahresfrist lag sie noch bei 5,3 Prozent. „Das Ergebnis spiegelt eine wenig erfreuliche Realität wider und zeigt, wie groß die aktuelle Verunsicherung bei Kunden und Verbrauchern ist. Denn die Nachfrage stagniert nicht nur im Automobilbereich, sondern auch in der Industrie- und Gebäudetechnik sowie bei den Hausgeräten und Elektrowerkzeugen“, sagte Hartung. „Dass es in allen unseren Sektoren zugleich an nennenswerten Impulsen mangelt, ist ungewöhnlich.“
In der Auto-Sparte, dem weiterhin mit Abstand wichtigsten Geschäftsbereich, belastet Bosch sowohl die insgesamt schwache Autokonjunktur als auch der weiterhin stockende Hochlauf der Elektromobilität. Weil die Hersteller die Einführung ihrer Elektro-Plattformen verschieben, findet Bosch keine Abnehmer für seine auf diese Plattformen abgestimmten Elektronik-Systeme. Der Umsatz im Auto-Geschäft sank minimal auf 55,9 Milliarden Euro.
„Europa reguliert nicht die Welt“
An der Tatsache, dass die aktuelle Regulierung der Europäischen Union es den Unternehmen der Autoindustrie im Moment nicht einfacher macht, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten, daran ließ der Bosch-Chef keinen Zweifel. Hartung, der am Donnerstagvormittag beim Strategischen Dialog der Autoindustrie mit anderen Chefs von Autokonzernen Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Sicht der Unternehmen vorgestellt hat, bewertete die Tatsache, dass ein solches Gespräch überhaupt stattgefunden hat, erst einmal positiv. Seine Forderung war aber auch klar: Jede Regulierung müsse im Blick behalten, dass die Unternehmen der Autoindustrie mit Wettbewerbern in aller Welt konkurrierten. „Europa reguliert nicht die Welt, Europa reguliert maximal die Hersteller in Europa, und der Wettbewerb auf der Welt wird zeigen, wie der Weg der Menschheit ist“, erklärte Hartung.
Auch im Maschinenbau steht der Konzern im globalen Wettbewerb. Aufgrund der schwachen Konjunktur in Europa, China und den USA sank der Umsatz um 13 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. In der Energie- und Gebäudetechnik spürt Bosch die weltweit schwachen Bau- und Immobilienmärkte sowie – vor allem im europäischen und deutschen Heizungsgeschäft – die Verunsicherung der Kunden wegen der unklaren gesetzlichen Vorgaben, was einen Umsatzrückgang um drei Prozent auf 7,5 Milliarden Euro zur Folge hatte. Einzig das Geschäft der Konsumgüter- und Hausgeräte-Sparte stabilisierte sich nach dem Einbruch, der dem Corona-Boom folgte. Die Umsätze stiegen um zwei Prozent auf 20,3 Milliarden Euro. „Trotz zum Teil massiver Umsatzrückgänge erzielten aber alle Unternehmensbereiche ein positives Ergebnis“, erläutert Finanzchef Markus Forschner.
Keinen Zweifel ließ Stefan Hartung daran, dass die Zeit der Veränderungen mit Blick auf Strukturen und die Anzahl der Stellen im Unternehmen noch nicht vorbei ist. „Niemand baut gerne Stellen ab, aber wir wollen und müssen unser Unternehmen zukunftssicher aufstellen“, sagte Hartung. „Und leider ist dieses Ziel angesichts der aktuellen Marktlage und des verschärften Wettbewerbsdrucks ohne wirksame Anpassungen und ohne klare Prioritäten nicht zu erreichen.“
Bereits im Frühjahr hatte Bosch den Abbau von weltweit 7000 Stellen und im November den Abbau von weiteren 5500 Arbeitsplätzen angekündigt – davon rund 8000 Jobs in Deutschland. Betroffen ist vor allem das Automobilgeschäft mit der Antriebssparte, der Software-Entwicklung, der Automobilelektronik und den Lenksystemen, aber auch der Sparte für Elektrowerkzeuge und der Geschäftsbereich Hausgeräte. Schon im Interview mit der F.A.Z. vor wenigen Tagen hatte Hartung betont, dass es gerade im Automobilgeschäft weitere Sparprogramme geben wird. „Einfach deswegen, weil bis 2030 noch einmal eine große Verschiebung im Bereich des Antriebsmixes auf uns zukommt“, erklärte Hartung. „Dieser Wandel in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren ist unvermeidlich, weil er struktureller Natur ist.“
Bosch hält an Sieben-Prozent-Rendite-Ziel fest
Hinzukommt, dass Bosch am Ziel festhält, die Umsatzrendite bereits im Jahr 2026 auf die angestrebte Zielmarke von sieben Prozent zu steigern. „Dazu müssen wir die Geschäfte, die zurzeit nichts zum Gewinn beitragen, wieder auf Ertragsbasis zurückführen. Zudem gehen wir von einer gewissen Erholung der konjunkturellen Weltlage aus“, erläuterte Hartung. „Und selbstverständlich ist dann auch ein Hebel die Produktivität. Und wenn es in einigen Fällen zu entsprechenden Wertschöpfungsverlusten kommt, kann das auch heißen, dass wir weiter Mitarbeiter abbauen müssen.“
Die IG Metall hatte mit einem solchen Ausblick schon gerechnet – und nach den für Bosch ungewöhnlich scharfen Protesten im vergangenen Jahr auch für 2025 Demonstrationen angekündigt. „Auch in diesem Jahr werden die Kolleginnen und Kollegen bei Bosch wieder um ihre Zukunft kämpfen müssen, die Probleme sind da aus Arbeitnehmersicht noch lange nicht gelöst“, hatte Barbara Resch, die baden-württembergische Bezirksleiterin der Gewerkschaft, am Mittwoch erklärt.
Die erhoffte konjunkturelle Erholung wird nach Ansicht von Hartung in Europa aber nur einsetzen, wenn die EU angesichts der auseinanderdriftenden Machtblöcke in der Welt als starke und geschlossene Gemeinschaft auftritt. „Uns bleibt schlicht nichts anderes übrig“, erklärte Hartung. „Wir können den freien Welthandel nicht erzwingen. Wir können Europa aber stärker, wettbewerbsfähiger und resilienter machen.“ Sprich: Weniger „ausufernde Berichtspflichten und überlange Genehmigungsverfahren“, mehr Investitionen, weniger „technologischen Dirigismus und unzureichende Gesetzgebung“, mehr Binnenmarkt. „Alles, was das wirtschaftliche Handeln vereinfacht, geht in die richtige Richtung“, sagte Hartung. „Wir müssen endlich vom Reden ins Handeln kommen – in Deutschland und Europa.“
Selbst ins Handeln kommen will Bosch mit Investitionen in Innovationen. Dazu zählt Hartung zum Beispiel den Ausbau der Produktion von Siliziumkarbid-Halbleitern an den Standorten im schwäbischen Reutlingen und im amerikanischen Roseville. Oder das Forschungsprojekt „Deep Fusion“, bei dem mit Künstlicher Intelligenz die Daten von Video-, Lidar- und Radar-Sensoren verschmolzen und für automatisierte Fahrsysteme optimiert werden. Die Software „Vehicle Motion Management“ steuert aus einer Einheit die Fahrzeugbewegungen in alle Richtungen und kombiniert Bremse, Lenkung, Antrieb und Dämpfung. Und für den Schwerlastverkehr arbeitet Bosch an einer sogenannten Kryopumpe, die bis zu 600 Kilogramm flüssigen Wasserstoff pro Stunde verdichtet und auf diese Weise eine Zugmaschine innerhalb von nur zehn Minuten genügend Wasserstoff für eine Fahrt von 1000 Kilometern tanken lässt.
Für eine erfolgreiche Entwicklung solcher Neuerungen ist aber nach Ansicht von Hartung jenseits von Ideen und Geld noch etwas notwendig – und zwar eine optimistische Grundstimmung. „Kaum etwas hängt schwerer am Bein als überzogener Pessimismus. Leider sind wir Deutschen ausgerechnet in diesem Feld dann doch wieder in der Spitzengruppe“, sagte der Bosch-Chef. „Aus dieser Stimmungsfalle müssen wir schnell wieder raus. Ein wichtiger, erster Schritt ist das Umdenken in unseren Köpfen, die Zukunft ist nämlich nicht unbedingt eine Bedrohung der Gegenwart, sondern voller Chancen.“ Da war er dann doch wieder, der zuversichtliche, technikbegeisterte Optimist aus Westfalen.