2025-02-23 12:35:00
Noch vor wenigen Jahren galt eine stetig steigende Lebenserwartung in Europa als nahezu selbstverständlich. Bessere medizinische Versorgung, gesündere Ernährung und höhere Lebensstandards führten dazu, dass die Europäer immer älter wurden. Doch dieser positive Trend hat sich mittlerweile verlangsamt – und in Deutschland und einigen anderen Ländern geht die Lebenserwartung sogar wieder zurück. Das zeigt eine aktuelle Studie der britischen University of East Anglia, veröffentlicht in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet Public Health“.
Die Wissenschaftler untersuchten Daten aus 16 europäischen Ländern und betrachteten drei Zeiträume: 1990 bis 2011, 2011 bis 2019 und 2019 bis 2021. Während die Lebenserwartung in Europa zwischen 1990 und 2011 noch stetig zunahm, schwächte sich dieser Trend zwischen 2011 und 2019 in allen untersuchten Ländern ab – mit einer Ausnahme: Norwegen. Dort stieg die Lebenserwartung sogar noch stärker als vor dem Jahr 2011.
Neben Norwegen verzeichneten nach 2011 insbesondere Island, Belgien, Dänemark und Schweden den stärksten Anstieg der durchschnittlichen Lebensdauer ihrer Bevölkerung. Die Studienautoren führen diese Entwicklung vor allem auf einen Rückgang der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zurück.
Als hauptsächliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nennt die Studie Bluthochdruck, eine ungesunde Ernährung, einen hohen Cholesterinspiegel sowie Rauchen und Übergewicht. Hauptrisikofaktoren für die Bildung von Tumoren seien in erster Linie ebenfalls Rauchen, Übergewicht und eine ungesunde Ernährung sowie zusätzlich berufsbedingte Risiken und ein hoher Alkoholkonsum.
Einige Länder sind Ausnahmen
In dem Zeitraum von 2019 bis 2021, der von der Corona-Pandemie geprägt war, stagnierte der jahrzehntelange Anstieg der Lebensdauer. So sank die Lebenserwartung in fast allen untersuchten Ländern im Durchschnitt sogar um rund 0,2 Jahre. Die Studie führt dies insbesondere auf die erhöhte Sterblichkeit durch pandemiebedingte Atemwegserkrankungen zurück. Auch in Deutschland verringerte sich die Lebenserwartung in diesem Zeitraum um rund 0,2 Jahre.
Ausnahmen bilden Irland, Island und die skandinavischen Länder. Sie verzeichneten trotz Corona einen geringfügigen Anstieg der Lebenserwartung. Laut den Autoren der Studie sind es auch die Länder, bei denen der Anstieg der Lebenserwartung schon vor der Pandemie am höchsten war. Norwegen, das in der Studie mit am besten abschneidet, legt etwa gesetzlich viel Wert auf gesunde Ernährung. Schon im Jahr 1922 führte das Land eine Zuckersteuer ein, in den Achtzigerjahren setzte es durch, dass Salz in Lebensmitteln reduziert wird.
Auch innerhalb von Deutschland sind regionale Unterschiede in der Lebenserwartung nicht ungewöhnlich, schaut man sich Zahlen aus den Jahren vor der Pandemie an. Eine Studie der Universität Rostock, die 2020 in dem „Deutschen Ärzteblatt“ erschienen, kam zu dem Ergebnis: Die mittlere Lebenserwartung von Männern in den Jahren 2015 bis 2017 lag in Bremerhaven mit 76 Jahren am niedrigsten, im Kreis München mit 81 Jahren am höchsten. Frauen wurden im Kreis Starnberg nahe München mit durchschnittlich 86 Jahren am ältesten, die niedrigste Lebenserwartung mit rund 82 Jahren hatten sie im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt.
Auffällig ist, dass die Lebenserwartung in ländlichen Regionen Ostdeutschlands sowie in einigen Kreisen des Ruhrgebiets vergleichsweise niedrig ist. Vor allem in Baden-Württemberg und Südbayern liegt sie hingegen deutlich höher. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass vor allem benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit einer eher niedrigen Lebenserwartung in Verbindung stehen. So gebe es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote in einem Landkreis und der örtlichen Lebenserwartung.