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« Bérénice » de Roméo Castellucci vue avec Rousseau

by Nouvelles

2024-09-06 13:41:15

Theaterproduktionen kann man importieren, Theaterskandale nicht. Das Erregungspotential einer Aufführung hängt an den Erwartungen des Publikums, die zu eng verwoben sind mit den Erfahrungen, die es an seinem Ort gemacht hat. Romeo Castelluccis Adaption von Jean Racines Tragödie „Bérénice“ mit Isabelle Huppert in der Titelrolle erntete bei der Ruhrtriennale in Duisburg entschieden freundlichen Beifall, pflichtschuldige Begeisterung über die leibhaftig anwesende, wenngleich für die längste Zeit der knapp hundert Minuten hinter einem Gazevorhang agierende Weltstarschauspielerin.

In Paris, im Théâtre de la Ville-Sarah Bernhardt, hatte Castelluccis Ein- und Zurichtung des schlechthin klassischen Stücks der französischen Klassik dagegen Sensation gemacht und das Publikum gespalten. Der Aufruhr in den sozialmedialen Salons veranlasste das „Philosophie magazine“, eine Kritikerin in eine der späteren Vorstellungen zu entsenden. Louise Coquillat erlebte, dass nach anderthalb Stunden ein Zuschauer ausrief: „Buh, wir hören Isabelle nicht!“, bevor kurz darauf das Fortziehen des Gazeschleiers mit höhnischem Gelächter begrüßt wurde.

Etwas, das nach nichts aussieht

Racines „Bérénice“ ist ein Drama, in dem die Handlung fast auf ein Nichts reduziert ist. Der römische Kaiser Titus widerruft seinen Entschluss, die von ihm nach Rom mitgeführte jüdische Prinzessin aus Rücksicht auf Senat und Volk nicht zu heiraten, nicht; alle Vorhaltungen der Verlassenen sind zwecklos, weil Titus seine Liebe gar nicht verleugnet; der seinerseits unglücklich verliebt bereitstehende König Antiochus kommt als Ersatzmann nicht zum Zuge – leider.

Der Pariser Buhrufer sprach die Protagonistin nicht direkt an, nannte sie aber beim Vornamen, bewegte sich also bei seiner Intervention auf der Schwelle zwischen Vertrautheit und Intimität. Gerade von diesem Stück Racines, in dem Worte vielleicht von Gesten begleitet werden, aber keine Taten herbeiführen, ist früh dokumentiert, dass es eine Identifikation von Personen im Saal mit der Hauptperson auf der Bühne über die Grenze der vierten Wand hinweg auslösen kann und dass an diesem Effekt die Darbietung der Darstellerin ihren Anteil hat. Jean-Jacques Rousseau resümiert in dem offenen Brief über das Theater, den er 1758 an Jean le Rond d’Alembert richtete, eine Vorstellung der „Bérénice“, die er einige Jahre vorher gemeinsam mit dem Adressaten besucht hatte, laut Henning Ritters Ausgabe von Rousseaus Schriften am 15. November 1752.

Den Gang der Aufführung fasst Rousseau in die Figur eines frappanten Umschlags: Als Bérénice ihre Mittel erschöpft hatte, übertrug sich ihre Energie auf das Publikum. „Nicht dass ihre andauernden Klagen während des Stückes die Gefühle sehr erregt hätten, doch als sie im fünften Akt zu klagen aufhörte und mit düsterem Ausdruck, trockenem Auge und erloschener Stimme einen kalten, fast verzweifelten Schmerz in Worte fasste, verband sich die Kunst der Schauspielerin mit dem Pathos der Rolle, und die Zuschauer waren lebhaft gerührt; sie begannen zu weinen, als Bérénice nicht mehr weinte.“ Die Schauspielerin war Jeanne-Catherine Gaussem, die diese Paraderolle zehn Jahre lang in der Comédie-Française spielte.

Die Männer haben nichts zu sagen

Der Darsteller des Titus war nach dem Urteil Rousseaus zu gut für seine Rolle: Sie „hätte gewirkt, wenn sie seiner würdiger gewesen wäre“. Man brauchte keinen ebenbürtigen männlichen Hauptdarsteller, weil „alle fühlten, dass das Hauptinteresse Bérénice galt und dass es das Geschick ihrer Liebe war, das die Art der Katastrophe bestimmte“. Dieses Gefühl mag Castellucci dazu bewogen haben, den Stücktext auf Bérénices Reden zusammenzukürzen und die männlichen Parts zu streichen – jedenfalls als Sprechrollen; zwei streichholzdünne Tän­zer führen als Titus und Antiochus Rituale pantomimischer Staatskunst vor.

Jeanne-Catherine Gaussem (1711 à 1767) fut engagée à la Comédie-Française en 1731 et apparut sous le nom de scène de Mademoiselle Gaussin. Voltaire écrivit pour elle la tragédie “Zaïre”, écrite par Rousseau dans la lettre à d’Alembert également discuté.BNF

L’amour de Bérénice n’existe-t-il que dans ses paroles, comme le produit d’un imaginaire balbutiant dans la servitude alexandrine ? Selon cette hypothèse, Coquillat tente de traduire le concept réalisateur de Castellucci dans les idées de Jacques Derrida et Jacques Lacan. Mais là où, dans la présentation de Coquillat, le réel chez Lacan échappe au langage et à toute forme de symbolisation, chez Castellucci la contre-réalité du ballet d’État masculin forme un ordre symbolique qui tourne son dos osseux et bien tonique à l’autocrate bavard du théâtre parlé. Le cinquième acte apporte également un changement dans la disposition de Castellucci. Dans le monologue final, Isabelle Huppert doit endurer son impuissance. Sa voix ne disparaît pas, mais est plutôt étouffée, effacée par l’aliénation technique et s’échappe.

Rousseau fait l’observation fondamentale dans la critique théâtrale que la fin a peu d’importance pour l’effet d’une pièce. Titus renvoie Bérénice, les réticents les réticents, comme le dit Racine dans la préface de Suétone, et Rousseau ajoute : même contre la volonté du spectateur. « La Reine part sans la permission du parterre », sans la permission du public, qui est le maître secret et officiel de cette maison. Titus reste seul en dernier Romain, “les spectateurs ont tous épousé Bérénice”. Au moins la moitié du public parisien de Castellucci se considérait comme des divorcés forcés.



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