2024-11-27 20:05:00
In der Europäischen Zentralbank (EZB) wird darum gerungen, wie es mit den Zinssenkungen weitergeht und wie tief die Notenbank die Zinsen am Ende senken soll. Der EZB-Einlagensatz, der gewisse Auswirkungen auf die Sparzinsen hat, beträgt 3,25 Prozent. Die nächste Zinsentscheidung steht am 12. Dezember an. An den Finanzmärkten wird eine weitere Zinssenkung erwartet; als immer wahrscheinlicher gilt ein Schritt um einen Viertelprozentpunkt nach unten.
„Neutrales Niveau“ bei zwei bis drei Prozent
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos betonte unterdessen die Notwendigkeit weiterer Zinssenkungen. Angesichts der großen Unsicherheit sei es schwierig, genaue Vorhersagen über deren Zahl und Umfang zu machen, sagte er der finnischen Zeitung „Helsingin Sanomat“. Daher sei es so wichtig, von Sitzung zu Sitzung und datengetrieben vorzugehen. „Es ist jedoch klar, dass wir unseren geldpolitischen Kurs weiterhin weniger restriktiv gestalten werden, da sich die Inflation unserem Ziel nähert.“
Die Inflationsrate im Euroraum hatte im Oktober zwei Prozent betragen. Es wird jedoch erwartet, dass sie nun zum Jahresende wieder etwas ansteigt. Im Laufe des kommenden Jahres soll sie sich dann nach der Hoffnung der EZB dauerhafter dem Ziel der Notenbank von mittelfristig zwei Prozent annähern.
Bundesbankpräsident Nagel mahnt zur Vorsicht
Bundesbankpräsident Joachim Nagel plädierte mit Blick auf die Dezember-Zinsentscheidung für Umsicht. „Ob im Dezember ein weiterer Zinsschritt folgen wird, entscheiden wir auf Basis der dann vorliegenden Daten“, sagte Nagel auf einer Vortragsveranstaltung der Sparkasse Dortmund. Es gelte, weiter vorsichtig zu sein und die Geldpolitik „nur graduell und nicht zu schnell“ zu lockern. Es gebe nach wie vor Risiken: So sei nicht auszuschließen, dass das Lohnwachstum langsamer zurückgehen könnte als erwartet.
„Sehr real ist zudem das Risiko, dass die neue amerikanische Regierung handelspolitische Maßnahmen ergreift, die sich auch hierzulande in höherer Inflation niederschlagen.“ Zur Vorsicht mahne auch die nach wie vor erhöhte Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden, sagte Nagel: „Wichtig ist: Der EZB-Rat ist nicht auf einen bestimmten Zinspfad festgelegt.“
Andere Notenbanker wie EZB-Direktoriumsmitglied Piero Cipollone oder Portugals Notenbankchef Mário Centeno hatten sich klarer für weitere Zinssenkungen ausgesprochen.
„Der recht öffentliche Diskurs der Direktoriumsmitglieder gibt einen guten Überblick der aktuellen Argumente für oder gegen schnellere Zinssenkungen“, kommentierte Karsten Junius, Ökonom der Bank J. Safra Sarasin. Er sei überrascht gewesen, wie stark Schnabel die Notwendigkeit weiterer Zinssenkungen heruntergespielt habe. „Sie stellt die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte im Dezember nicht infrage, aber signalisiert, dass die am Geldmarkt eingepreisten fünf Zinssenkungen bis Juni nächsten Jahres nicht notwendig sein würden.“
Mit ihrer recht hohen Schätzung des neutralen Zinsniveaus und der Festlegung, dass weder eine Rezession drohe noch Risiken für zu niedrige Inflationsraten bestünden, signalisiere Schnabel, dass nach Dezember nicht mehr viele Zinssenkungen notwendig sein würden. Mit dem Interview stelle sie sich klar gegen die Einschätzung von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane, der in einem Interview mit der Zeitung „Les Echos“ erklärt habe, dass die EZB sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsrisiken beobachten müsste, sagte Junius.
Geldmarkt reagiert offenbar auf die Signale
Die Interviews müssten auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass bis vor ein paar Tagen am Geldmarkt noch eine fast fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit einer Dezember-Zinssenkung um 50 Basispunkte eingepreist gewesen sei. Während Lane zwar nicht eindeutig für einen Schritt um 50 Basispunkte argumentiert habe, habe sich Schnabel klar dagegen ausgesprochen. „Der Geldmarkt hat die Botschaft verstanden und preist nur noch eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 20 Prozent für 50 Basispunkte ein“, sagte Junius: „Damit läuft es aus aktueller Sicht auf eine Zinssenkung um 25 Basispunkte hinaus.“
Denselben Schritt erwarten auch Carsten Mumm von der Privatbank Donner und Reuschel und Marco Wagner von der Commerzbank. „Die EZB-Ratsmitglieder dürften sich einig sein, die Zinsen im Dezember um 25 Basispunkte zu senken“, sagte Wagner. Selbst Mitglieder des Falkenlagers, also Vertreter einer eher straffen Geldpolitik, wie Joachim Nagel erwarteten, dass die Inflation bald das Ziel erreichen werde. Darüber hinaus machten sich die meisten Sorgen über die schwache Konjunktur im Euroraum. „Ein größerer Zinsschritt dürfte es nicht werden“, sagte Wagner: „Denn selbst geldpolitische Tauben wie der Portugiese Centeno sprechen sich lediglich für stetige Zinssenkungen aus.“
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