2025-01-17 12:59:00
Clemens Riedel hat ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Profifußball. Mit 21 Jahren ist der Kapitän des Zweitligavereins Darmstadt 98 der jüngste Spielführer aller 56 Mannschaften in den drei höchsten Ligen. Zugegeben, er kam vertretungsweise in die Rolle. Der damalige Darmstädter Trainer Torsten Lieberknecht hatte vor der Saison den 34-Jährigen Fabian Holland als Kapitän bestätigt. Aber der musste einen Kreuzbandriss ausheilen und hat seit April nicht gespielt.
Zu Saisonbeginn führte der damals ebenfalls 34 Jahre alte Klaus Gjasula die „Lilien“ aufs Feld. Von Paderborner Gegenspielern wurde er aber derart an der Nase herumgeführt, dass er anschließend auf nur noch zwei Kurzeinsätze kam. Vor anderthalb Wochen wechselte er in die dritte Liga. Seit Mitte August ist also Riedel Kapitän und er wird es auch am Freitagabend sein, wenn für die Darmstädter bei Fortuna Düsseldorf die Rückrunde beginnt (18.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur zweiten Bundesliga und bei Sky).
„Sehr reflektiert, sehr intelligent“
Eine Kapitänsbinde aus Polyester mag nur wenige Gramm wiegen, am Arm eines wenig erfahrenen Spielers kann sie schwer sein wie Blei. Er stehe mehr im Fokus, sagt Riedel, Druck empfinde er aber nicht. Rat erhält er von langjährigen 98ern wie Marcel Schuhen. „Ich weiß schon, dass es eine schwere Aufgabe ist, aber ich glaube, dass ich das ganz gut hinbekommen habe.“ Der jüngste Kapitän einer deutschen Profimannschaft zu sein, mache ihn „extrem stolz“.
Sein Trainer Florian Kohfeldt lobt Riedels Charakter. Dessen Umgang mit Mitspielern und Betreuern sei vorbildlich, „er ist sehr reflektiert, sehr intelligent“. Riedel wisse genau, „was er gut macht und wo er sich noch entwickeln muss“. Es sind Eigenschaften, die Kohfeldt gefallen müssen, der nicht erst in Darmstadt seine Spieler mit seinem überdurchschnittlichen Einfühlungsvermögen und Willen zur Zusammenarbeit begeistert.
Riedels „Soft Skills“ wären aber deutlich weniger wertvoll, wenn er nicht auch auf dem Spielfeld zu überzeugen wüsste. Kohfeldt sagt diesen bemerkenswerten Satz: „Er weiß, dass die persönliche Leistung immer das Wichtigste ist und das Führen einer Mannschaft der zweite Schritt ist.“
Präzise lange Pässe
In Darmstadts Innenverteidigung gewinnt Riedel laut dem Datenportal fbref.com sehr ordentliche zwei Drittel der Zweikämpfe, auf die er sich einlässt. Und das sind einige. Sein Nebenmann Aleksandar Vukotic sieht mit seinen zwei Metern Körperlänge, seinen derben Gesichtszügen und dem geschorenen Schädel aus, als hätte ihn eine Filmregie als immer bissigen Abräumer ausgesucht.
Es ist aber Riedel, der besonders eifrig nach vorn verteidigt, manchmal zu eifrig, wie er selbst und sein Trainer feststellen. Dann wäre es klüger, „im Raum zu bleiben“, wie Kohfeldt sagt und Gegenspieler durch Stellungsspiel zu Fehlern zu verleiten.
Andererseits hebt sich Riedel mit seinem Passspiel positiv vom Gros der Zweitliga-Verteidiger ab. Auf kurze und mittlere Distanz erreichen seine Anspiele besonders verlässlich seine Mitspieler. Die Daten zeigen zudem, dass seine langen Pässe im Vergleich mit denen anderer Innenverteidigern seiner Klasse zu den präzisesten gehören. Darmstadts Aufbauspieler sind die beiden Sechser Kai Klefisch und Andreas Müller, doch auch Riedel ist in der Lage, gegnerische Verteidigungslinien zu überspielen.
„Er ist sehr robust“
Am auffälligsten ist wohl, wie häufig er den Ball selbst nach vorne treibt. Wenn er dabei unter Gegnerdruck gerät, hilft ihm seine massige Statur, die er in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Auch auf lange Sicht ist Riedel mit seinem kräftigen Körper im Vorteil, wie Kohfeldt erklärt: „Er ist sehr robust und damit auch sehr wenig verletzungsanfällig, was eine Qualität ist.“ In den 20 bisherigen Darmstädter Saisonspielen in der zweiten Liga und im DFB-Pokal kamen 26 Spieler zum Einsatz, nur Clemens Riedel spielte jede Minute.
Keine Frage, dass Kohfeldt auch beim herausfordernden Rückrundenauftakt in Düsseldorf an diesem Freitag auf Riedel baut. „Er ist ein gestandener Zweitligaspieler, der, das glaube ich ziemlich sicher, auch schon Bundesliga spielen kann, das hat er zum Beispiel beim Auswärtsspiel in Bremen (Anm. d. Red. im Achtelfinale des DFB-Pokals) gezeigt.“
Zugleich ist der Trainer überzeugt, dass sein Kapitän noch zu einigen großen Entwicklungsschritten in der Lage ist. Riedel hat schon eine Idee. „Ich würde gern mal ein Tor schießen“, sagt er, „es wird langsam Zeit.“ Ein Treffer ist ihm in 65 Spielen im Profifußball noch nicht gelungen.
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