“C’est comme chasser l’ivoire.”

2024-07-19 21:20:01

Der Esel ist das ­älteste Haustier der Menschen. In ­ärmeren Ländern ist er bis heute ein wichtiges Nutztier, etwa zum Transport von Wasser. Doch gerade um ihn steht es nicht gut: Weil in China seit mehr als zehn Jahren die Nachfrage nach Ejiao durch die Decke geht, einem aus Eselshaut hergestellten Produkt der traditionellen chine­sischen Medizin (TCM), sinkt die Eselspopulation drastisch.

Laut der deutschen Welttierschutzgesellschaft spitzt sich die Situation derzeit vor allem in Afrika zu. Da ­China die Nachfrage mit Nachzuchten nicht decken kann, bedienen sich die Händler in Afrika. Bis zu einem Drittel der Tiere werde gestohlen, schätzt die Organisation Donkey Sanctuary. Da die Besitzer sie nicht immer freiwillig verkaufen, ist eine regelrechte Jagd auf Esel ausgebrochen. Im Fe­bruar wollte die Afrikanische Union den Handel verbieten. Doch das Gegenteil der Resolution trat ein: „Es scheint, dass sich viele noch mit dem Erwerb von Eseln ihre Profite sichern wollen, bevor das Verbot kommt“, sagt Wiebke Plasse von der Welttierschutzgesellschaft. Einer ihrer Partner in Kenia beschreibt es so: „Das gleicht der einstigen Jagd auf Elfenbein.“

Die Haut soll gegen das Altern helfen

Die Häute werden eingekocht, eine dunkle Gelatine entsteht, die wie zu Schokoladenblöcken geformt wird. Auf Chinesisch heißt dieser Leim Ejiao. Als Bestandteil der TCM ist es seit 3000 Jahren bekannt und hat angeblich eine medizinische und kosmetische Wirkung. Lebenskräfte soll es wecken, die Fruchtbarkeit bei Frauen steigern und gegen das Altern wirken.

Plasse recherchierte Anfang März in Kenia über das illegale Geschäft. Es sei keine ungefährliche Reise ge­wesen, sagt sie. Die Strukturen seien „kriminell und verstrickt, auf allen Ebenen, bis in weit abgelegene Dörfer hinein“. Plasse und ihre Kollegen ­haben herausgefunden, dass die Viehmärkte wohl als Drehkreuz fungierten. Händler aus Großstädten kämen mit den Einwohnern der Märkte zusammen. „Normalerweise werden Esel nicht auf den Viehmärkten verkauft, wir sahen sie aber in hundertfacher Zahl. Wir haben nicht damit gerechnet, dass es so offensichtlich sein wird“, sagt die junge Frau.

Danach werden die Tiere illegal geschlachtet und Fleisch und Haut gesondert weitertransportiert. Stich­proben hätten ergeben, dass Eselsfleisch deklariert als Rindfleisch auf großen Fleischmärkten wie dem ­Burma-Markt in Nairobi landete. „Stellen Sie sich vor, Sie essen aus Versehen Hund, obwohl Sie gerade eigentlich Schweinefleisch gekauft haben.“ In Kenia gab es einen großen Aufschrei um das Eselsfleisch, sagt Plasse. Ein großes Fragezeichen bleibt jedoch der Handel mit der Haut: ­„Welchen Weg die Haut nach der illegalen Schlachtung geht, wissen wir bis heute nicht.“ Es bestehe nur der Verdacht, dass die Eselshaut als verarbeitetes Pulver exportiert wird.

Taucht auch auf Kräuterlisten deutscher Apotheken auf

Ein Schlüssel könnten die Eselschlachthäuser sein, die allesamt in chinesischer Hand sind. 2019 hatte die kenianische Regierung die vier Schlachthäuser im Land geschlossen. Laut Plasse lässt sich bei einzelnen nachweisen, dass sie zuvor Verarbeitungsmaschinen angeschafft hatten, mit denen man aus Häuten Pulver ­machen kann. Auf ihrer Reise hat Plasse ein Schlachthaus besucht: „Wir haben Eselsknochen gefunden. Wir haben einen Teil der Geräte gesehen. Es könnte jeden Moment wieder losgehen. Selbst die Schlachtkittel und Messer hingen noch.“

F.A.Z.-Recherchen hatten im vergangenen Jahr ergeben, dass die Spuren des Eselsgeschäfts bis nach Deutschland führen. Über Onlineshops lassen sich Produkte aus Eselshaut bestellen und in Asialäden kaufen. Auch auf Kräuterlisten deutscher Apotheken taucht die Eselshaut auf. Das Geschäftsmodell ist komplex. ­Dahinter stecken legale und illegale Wege – und ein dubioses Unter­nehmen, das in Hamburg sitzt. Eine Anfrage an das Unternehmen blieb damals unbeantwortet. Angeblich ist es mittlerweile geschlossen.

Für die Esel in Afrika ist das keine wirklich tröstliche Nachricht. Laut der britischen Organisation Donkey Sanctuary werden in China jedes Jahr knapp sechs Millionen Eselshäute verarbeitet; das betrifft mehr als jeden zehnten Esel auf der Welt. Für das lukrative Milliardengeschäft bleiben noch schätzungsweise 51,7 Millionen Esel. „Bei anhaltend hoher Ejiao-Produktion ist an den Orten, wo Esel heute noch in größerer Zahl vorkommen und dafür beschafft werden, in ein paar Jahren kein Esel mehr übrig“, sagt Plasse. Esel haben – anders als zum Beispiel Milchkühe – eine niedrige Reproduktionsrate und sind nicht tauglich für Massentierhaltung.



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