2025-02-25 18:45:00
Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Dieses an sich sehr begrüßenswerte, weil liberale Motto hat auch eine weniger willkommene Seite. Weil es sich bisweilen bestens eignet zur Bemäntelung nicht nur von Geschmacklosigkeiten aller Art, sondern auch von Grenzüberschreitungen.
Mit beidem, einer Grenzüberschreitung wie mit einem außerordentlich billigen Versuch, diese zu bemänteln, hat der Fußball es gerade beispielhaft in Köln zu tun: die Klinge eines kölschen Rippers am Hals der Glücksgöttin Fortuna – das hielten nicht nur Mitglieder der Fanszene des 1. FC Köln für ein angemessenes Motiv zur Einstimmung auf das Rheinderby gegen Fortuna Düsseldorf in der Zweiten Bundesliga, sondern auch die Verantwortlichen des FC.
Jedenfalls hatte das Schaubild, das am Sonntag formatfüllend auf der Südtribüne zu sehen war, der Klubführung vorher zur Ansicht und zur Genehmigung vorgelegen, so ist das üblich. Weshalb man sich hier weniger über die offenkundige Störung des Sensoriums beim Kölner Anhang wundern muss, die sich auch schon bei anderen Gelegenheiten zeigte, als über jene in den Führungspositionen. „Wir konnten mit dem Motiv leben, schön haben wir es nicht gefunden“, sagte der auch für Fan-Belange zuständige Geschäftsführer Christian Keller.
Ausdruck besonderer Ignoranz
Eine Gewaltdarstellung, auch wenn sie weder explizit noch realistisch, sondern angedeutet und im Gewand einer Graphic Novel daherkommt, hat in einem Fußballstadion nichts zu suchen. Um das zu erkennen, hätte es die Zuspitzung auf das Thema Messergewalt gar nicht gebraucht, wie sie in den Reaktionen, etwa des empörten nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul, zum Ausdruck kam. Es geht hier um Grundsätzlicheres. Zugleich aber zeugt das Motiv, auch vor dem Hintergrund des Messerattentats auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker vor knapp zehn Jahren, noch einmal von besonderer Ignoranz.
Mag sein, dass der Verein – wie das in Kellers Worten anklang – mit einer Konzession an seinen Anhang eine Eskalation an anderen Stellen verhindern wollte, etwa an der Pyro-Front. Diese Form des Gebens und Nehmens kennt man auch in anderen Klubs mit Fanszenen, die gern im Grenzbereich agieren. Allerdings führt genau das zum eigentlichen Thema, das über das Kölner Negativbeispiel hinausweist: Wenn die Spielräume und -regeln derart weitgehend von den Fans definiert werden dürfen, machen die Klubs sich letzten Endes zu deren Gefangenen.
Herr, lass Hirn regnen!
Es gibt keine einfachen Antworten auf die Frage, wie ein konstruktiver Dialog mit den Fankurven gelingen kann, diesen komplexen sozialen Gebilden. Generell kann man aber eines sagen: Wer keine Grenzen setzt, darf sich hinterher nicht wundern. Und im Übrigen auch nicht darüber, dass der Fußball finanziell in Mithaftung genommen werden soll für die Exzesse, die er neben all den stimmungsvollen Bildern produziert.
Die Kölner Südtribüne war in dieser Hinsicht ein Schaufenster, wie es niemand braucht. „Glück ist kein Geschenk der Götter“, lautete übrigens das Motto, das unter der Darstellung zu lesen war. Gäbe es einen Fußballgott, müsste man ihm einen ganz anderen Spruch zurufen: Herr, lass Hirn regnen!