2024-08-10 22:19:37
Anstrengende Woche. In zwei Worten fasst Elon Musk selbst die Kontroversen zusammen, in deren Mittelpunkt der Chef von Tesla, X und Space X und wohl reichste Mann der Welt steht. Politisch am meisten Staub wirbelt er auf, als er angesichts der Krawalle in Großbritannien auf seiner Plattform X schreibt: „Der Bürgerkrieg ist unausweichlich.“
Da reagiert auch die Regierung in London auf einen Mann, der kein politisches Amt innehat, aber mit jedem kurzen Ausruf weltweit Millionen Menschen erreicht. Für diese Aussage gebe es „keine Rechtfertigung“, lässt Premierminister Keir Starmer ausrichten. Der Tadel beeindruckt Musk nicht. „Sollten Sie nicht über Angriffe auf *alle* Gemeinschaften besorgt sein?“, antwortet er dem Premier direkt. „Ist das Britannien oder die Sowjetunion?“, fragt er in einem anderen Beitrag.
Musk mischt überall mit. Bestes Zeugnis dafür ist, dass der in den Vereinigten Staaten ansässige Multimilliardär seit 2024 Geschehnisse im deutschsprachigen Raum kommentiert. „@Bundeskanzler, was ist das?“, schreibt er im Juli, nachdem der bis dahin für öffentlich-rechtliche Sender arbeitende Satiriker Sebastian Hotz auf X angedeutet hatte, dass er sich über Donald Trumps Tod infolge des Attentats von Butler gefreut hätte. Musk, der sich, seit er 2022 das frühere Twitter übernommen hat, als Verfechter absoluter Redefreiheit geriert und die britischen Behörden wegen der Verfolgung rechtsextremistischer Äußerungen im Internet „Woke Stasi“ nennt, fordert also direkt bei Kanzler Olaf Scholz eine Strafe.
Der Form nach stellt Musk Fragen
Musk gibt sich weiter mit dem politischen Mainstream ab – und der mit ihm. Am 13. März strahlt er mit Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in der Tesla-Fabrik in Grünheide um die Wette. Der Elektromobilhersteller ist in Brandenburg schließlich der größte private Arbeitgeber. Doch vor allem online schwimmt Musk mittlerweile sehr häufig in politisch anders eingefärbten Gewässern. Das macht er für die deutschsprachige Öffentlichkeit erstmals sichtbar, als er vier Tage nach dem Grünheide-Termin dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner beispringt. Nachdem die Polizei im schweizerischen Kanton Aargau eine Versammlung mit Sellner auflöst, weil die Veranstalter der Vertragskündigung durch den Saalvermieter nicht Folge leisten, fragt Musk auf X: „Ist das legal?“
Wenige Wochen später reagiert der Multimilliardär unter einem X-Beitrag des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, der auf Englisch die „Unterdrückung der freien Rede“ in Deutschland beklagt, mit: „Was haben Sie gesagt?“. Als Höcke die vor Gericht verhandelte SA-Parole „Alles für Deutschland“ ins Englische übersetzt, fragt Musk: „Warum ist das illegal?“
Der Form nach sind Musks Beiträge Fragen – doch sie sind für die Gefragten willkommene Stichworte, ihre Sicht einer neuen und internationalen Zielgruppe darzulegen. Höcke etwa antwortet auf die Frage, warum seine Parole illegal ist: „Weil in Deutschland jeder Patriot als Nazi diffamiert wird, weil es in seinem Strafgesetzbuch Gesetzestexte gibt, die es in keiner anderen Demokratie gibt. Diese versuchen zu verhindern, dass Deutschland wieder zu sich selbst findet.“
Eine treue Fangemeinde hat Musk schon lange. Niemand bestreitet seine Pionierarbeit in der Elektromobilität, der kommerziellen Raumfahrt und mit dem Onlinebezahldienst Paypal. Doch wie reagieren diejenigen, die den Unternehmer Musk schon immer gut fanden, auf dessen neue politische Aussagen?
Vom „Tesla Club Germany“ äußert sich Gründungsmitglied Martin Wilhelm, einer der nach eigener Aussage ersten Tesla-Besitzer in Deutschland. „Er ist ein Verrückter, im Positiven wie im Negativen“, sagt Wilhelm über Musk. Wenn er zwischendurch einen „raushaut“, schmälere das seine Lebensleistung und „was er alles für die Gesellschaft getan hat“ keineswegs. Für Wilhelm, den die F.A.Z. beim Anruf in seinem Tesla erreicht, ist Musk vor allem eines: „Ein absolutes Genie der Ingenieurskunst.“
Redet die Presse Tesla schlecht?
Inwiefern bewegt der politische Musk die Tesla-Fans? Nach Wilhelms Aussage „überhaupt nicht“. „Wir sind von diesem Auto fasziniert“, berichtet er und erzählt von dem Geist, der in gemeinsamen Aktivitäten wie Sicherheitstrainings oder Fabrikbesuchen in Grünheide herrsche. Ob man sich für Musk manchmal schäme? „Sagen Sie mir einen Spitzenunternehmer, der nicht hin und wieder eine schlechte Presse hat.“
Den Medien gegenüber misstrauisch sind ausweislich des Internetforums des Vereins „Tesla Fahrer und Freunde“ auch andere Tesla-Anhänger. Deutsche Leitmedien würden die einheimischen Autobauer schonen – und Tesla schlechtschreiben, ist dort zu lesen. Ansonsten wird in dem Forum jede offensichtlich politische Diskussion geschlossen. Ein Restrisiko, dass sich die Geister an Musk zu sehr scheiden, bleibt. Eine kleine Minderheit bekennt in solchen inzwischen geschlossenen Beitragssträngen gar, Anti-Musk-Aufkleber auf ihren Teslas angebracht zu haben.
Und was sagen jene, an deren politische Positionen sich Musk immer stärker annähert? Martin Sellner offenbarte schon im November 2023, also noch vor seiner Entsperrung und Adelung durch eine „Frage“ Musks, seine Freude über das, was auf X geschieht. „Woche für Woche“ setze dort eine „kreative Schwarmintelligenz“ die linken „Wahrheitssysteme“ schachmatt, so Sellner in der neurechten Zeitschrift „Sezession“. Angriffslustig, ironisch bis zur Selbstauflösung und mit wohlwollender Duldung durch den obersten „Memelord“ Elon Musk würden Linke Aktion für Aktion zur Verzweiflung getrieben.
Neurechte sind sich weiter uneinig
Weniger enthusiastisch äußern sich andere Vordenker der Neuen Rechten. Der Autor Volker Zierke spottet in der Zeitschrift „Freilich“ darüber, wie das frühere Twitter von Bots („meine Nacktfotos im Profil“) geflutet werde – und sieht das Internet im „politischen Kampf“ nicht als „Gamechanger“. Nils Wegner wendet sich in einem Beitrag auf der Seite des Verlags „Jungeuropa“ gegen „rechtslibertäres“ Denken und behauptet, Musks Unternehmensgeflecht wäre „ohne staatliche Subventionen und Verträge mit dem Pentagon praktisch bankrott“.
Das bleibt ohne Belege eine Verschwörungserzählung. Doch gerade für Musks bekannteste Marke Tesla läuft es wirtschaftlich derzeit tatsächlich nicht gut. Laut den Zahlen des Kraftfahrzeugbundesamts hat bei den Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2024 keine Automarke so viel verloren wie Tesla.
Einen politischen Grund nennt zumindest die Drogeriehandelskette Rossmann, die ankündigt, künftig keine Teslas mehr als Dienstwagen zu kaufen. „Elon Musk macht keinen Hehl daraus, Donald Trump zu unterstützen. Trump hat den Klimawandel wiederholt als Schwindel bezeichnet – diese Haltung steht in krassem Gegensatz zur Mission von Tesla, durch die Produktion von Elektroautos einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten“, sagt der Sprecher der Geschäftsführung, Raoul Roßmann. Tesla-Enthusiast Martin Wilhelm, der über sich sagt, er könne nicht beurteilen, was „politisch richtig“ sei, sieht darin „gegebenenfalls“ den Versuch eines weit weniger erfolgreichen Unternehmers, sich zu profilieren.
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