2025-02-15 12:29:00
Das Risiko einer Neuauflage des Kalten Krieges verbunden mit einer Reduzierung des Welthandels ist gering, aber eine Neuausrichtung des Handels ist wahrscheinlich. Das sagte Fabrizio Campelli, im Deutsche-Bank-Vorstand verantwortlich für die Unternehmens- und Investmentbank, auf einer Diskussion in München anlässlich des von der Beratungsgesellschaft Deloitte zur Sicherheitskonferenz veröffentlichten Geoeconomic Dynamics Index.
Wie die F.A.Z. am Freitag über diese Studie zum Handel in der Welt berichtet hatte, hat Europa auf die Veränderungen der geopolitischen Lage mit einer Verstärkung seines Außenhandels mit politisch nahestehenden Nationen reagiert. Während Europa die Handelsbeziehungen zu Russland und einer Reihe von Schwellenländern reduziert habe, seien die Verbindungen zu den Vereinigten Staaten aus geopolitischen Gründen gestärkt worden.
Gut für Banken
Für Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), war ein überraschendes Ergebnis der Studie, dass der Anstieg der Energiepreise, ausgelöst durch die Sanktionen gegen Russland, eine ähnliche Auswirkung auf den Handel habe wie die Covid-Pandemie. „Das verdeutlicht, wie wichtig politische Entscheidungen sind“, sagte sie.
Nach Ansicht von Campelli kann die Neuausrichtung und Fragmentierung des Handels für die Banken gut sein, weil damit die Bedeutung des Risikomanagements zunehme. Durch die Verlängerung der Lieferketten müssten die Unternehmen mehr Risiken eingehen. Dagegen wäre ein neuer Kalter Krieg sehr negativ, weil damit der Welthandel zurückgehe.
In den Zeiten des Kalten Krieges habe der Handel 15 bis 16 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgemacht, nun seien es fast 50 Prozent. In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhundert hatte es nahezu keinen Handel zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten gegeben.
Bislang nur Ankündigungen von Trump
Angesichts der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle verwies Gerald Braunberger, Herausgeber der F.A.Z., darauf, dass Zölle nicht unbedingt den Handel bremsten. In einer geopolitischen Spannungslage wären zuerst die ausländischen Direktinvestitionen betroffen. HHLA-Chefin Titzrath betonte, dass Zölle noch nie Probleme gelöst und auch nicht den Handel gestoppt hätten. Doch beeinflussten sie diesen, indem die Produktionsbedingungen angepasst würden. Dafür brauche eine Volkswirtschaft mehrere Jahre.
Sie betonte, dass es sich bei der Zollpolitik Trumps bislang nur um Ankündigungen handele. Sie verwies darauf, dass die Vereinigten Staaten über keine nennenswerte Flotte an Handelsschiffen verfügten. Logistisch seien sie vom Ausland abhängig, weshalb die jüngsten Provokationen in einem anderen Licht gesehen werden müssten. „Wir alle glauben an den Freihandel und müssen ihn verteidigen“, sagte Titztrath. Ihre Ansicht nach haben sich die Handelsbeziehungen mit Asien, insbesondere mit China, etabliert.
Neue Handelskorridore
Banken könnten Unternehmen im Falle von Handelsunterbrechungen dabei unterstützen, neue Handelskorridore zu finden, sagte Deutsche-Bank-Vorstand Campelli. Eine zu hohe Konzentration der Lieferketten könne für Unternehmen gefährlich sein. Viele Länder mit wichtigen Rohstoffressourcen hätten sehr komplexe Währungsrestriktionen, die ein umfangreiches Wissen voraussetzten, das Banken hätten.
Das Risiko bestehe in der Disruption. Unternehmen seien einem Nachfrageschock ausgesetzt, wenn ihre Exporte durch Zölle verteuert würden. Wenn die Lieferketten länger würden, nähmen die Risiken zu, warnte Campelli.
Die neuen Handelskorridore stellen auch die Logistik vor Herausforderungen. Die beste Antwort sieht Titzrath in der Aufrechterhaltung und Verteidigung der etablierten Infrastruktur. In Deutschland bestehe für Häfen ein Investitionsbedarf. In anderen Ländern wie Belgien oder den Niederlanden seien die großen Seehäfen im Besitz des Staates, während in Deutschland dafür die Länder verantwortlich seien. Nach Ansicht der HHLA-Vorstandschefin sind die Seehäfen aber eine nationale Angelegenheit, weil sie ein Spiegelbild der Industrieproduktion sind.
Keine Alternative zum Dollar
Die Bestrebungen der großen Schwellenländer – also der Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – eine Währungsalternative zum Dollar zu schaffen, sieht Campelli skeptisch. Die Staaten verfolgten zu unterschiedliche Ziele, um eine gemeinsame Währung entwickeln zu können. Der Dollar habe als führende Reservewährung eine sehr robuste Position.
Nach Ansicht von Campelli liegt das auch an der Größe und Bedeutung des amerikanischen Kapitalmarktes. Jeder Vermögenswert könne in Dollar ge- und verkauft werden. Der Euro könne da nicht mithalten. Deshalb sprach sich der Deutsche-Bank-Vorstand für die Verwirklichung der Kapitalmarktunion aus. Die Größe eines gemeinsamen europäischen Kapitalmarktes könnte die weltweite Akzeptanz des Euros erhöhen.
Auch die europäischen Unternehmen bekämen dadurch einen besseren Zugang zu Kapital. Sie würden sich zu 70 Prozent noch immer über die Banken finanzieren. In den Vereinigten Staaten sei es umgekehrt, dort erhielten die Unternehmen 70 Prozent ihrer Finanzierung vom Kapitalmarkt. Es sei nicht zu akzeptieren, wenn gute europäische Unternehmen auf das Kapital von US-Investoren angewiesen seien. Dann würde der Wohlstand in den USA, aber nicht in Europa geschaffen.
Deshalb hält Campelli eine Kapitalmarktunion in Europa für so wichtig. F.A.Z.-Herausgeber Braunberger gab zu bedenken, dass in Europa über dieses Projekt schon seit Jahrzehnten gesprochen, aber nicht gehandelt werde. „Das ist beschämend“, sagte er.