2025-02-01 11:18:00
Gut zwei Wochen sind seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergangen. Aber dass der Ärger im deutschen Fußball über das Votum des Ersten Senats zur Beteiligung an Polizeikosten bei Hochrisikospielen verraucht wäre, kann man nicht sagen. Im Gegenteil: In Vereinen und Verbänden stößt man immer noch auf Unmut und Unverständnis.
So wie vom ersten Tag an, als Bremens Innensenator Mäurer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nach dem Bundesliga-Nordderby zwischen Werder und dem Hamburger SV einen Gebührenbescheid über 425.718,11 Euro schickte, vor nunmehr knapp zehn Jahren. Offenkundig haben die Resultate sämtlicher gerichtlicher Runden bis hin zum Finale von Karlsruhe daran nichts ändern können.
Woran nun aber die Vereine und Verbände nichts mehr ändern können: Dass sie sich damit auseinandersetzen müssen. Denn auch wenn vieles nach dem Richterspruch von Karlsruhe weiter unklar ist, von der Frage der Adaption des bislang singulären Bremer Modells in den verschiedenen Bundesländern über die Verrechnung anfallender Kosten innerhalb des Fußballs bis hin zu komplizierten Definitions- und Abgrenzungsfragen, ist eines klar: Diesen Schuss kann der Fußball nicht mehr überhören. Weil es nun – potentiell – um das eigene Portemonnaie geht. Und weil in der Politik der Geduldsfaden längst gerissen ist.
Die Sicherheitslage bei Fußballspielen liegt ein Stück weit im Auge des Betrachters. Es ist einerseits wahr, wie der Fußball argumentiert, dass das Stadionerlebnis in Deutschland insgesamt ein sicheres ist, nach absoluten Zahlen wie nach relativen Maßstäben, im europäischen Vergleich. Es ist andererseits aber auch wahr, dass es inakzeptable Gewalt rund um den Fußball gibt, zu viele Spiele und Situationen, die man sich ohne erhöhte Polizeipräsenz nicht vorstellen möchte, weil Teile der Anhängerschaft offenbar ein (Gewohnheits-)Recht auf Exzess und rechtsfreie Räume für sich reklamieren. Das betrifft teilweise, beim Thema Pyrotechnik, die Stadien selbst, relevanter aber, auch für die Frage der Polizeikosten, ist das, was um sie herum oder noch weiter entfernt passiert.
Fanprojekte dürfen als Erfolgsmodell gelten
Hier wiesen die Vereine die Verantwortung besonders gern von sich, in Teilen nachvollziehbar, weil der Fußball von manchen nur zum Anlass genommen wird, um archaische Verhaltensweisen auszuleben. Aber es kann und darf auch keine Normalität sein, dass es tausend Polizisten braucht, zum Teil aus verschiedenen Bundesländern, um ein (gewinnorientiertes) Fußballspiel abzusichern. Ein Aufwand, den es ohne den Fußball nicht gäbe und der auch trotz der Steuern, die die Vereine zahlen, nicht zur Grundversorgung gehört, so das Gericht in seinem Urteil.
Inwiefern dieses Urteil allerdings hilft, das zu erreichen, was das eigentliche Ziel sein sollte, nämlich Bedrohungsszenarien, Rechtsverstöße und handfeste Fangewalt zu verhindern, ist eine andere Frage. Verbände und Vereine waren in der Vergangenheit nicht untätig beim Versuch, auf die jeweiligen Fanszenen einzuwirken.
Die sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte, eine deutsche Besonderheit, paritätisch von Fußball sowie Ländern und Kommunen finanziert, dürfen insgesamt als Erfolgsmodell gelten. Allerdings gab und gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den jeweiligen Standorten – und bei den Vereinen die Neigung, sich einen schlanken Fuß zu machen, wenn es unangenehm wird. Es ist daher richtig, den Fußball stärker in die Pflicht zu nehmen.
Krawallmacher scheren sich nicht darum, wer die Zeche zahlt
Das führte zuletzt schon bei einem anderen Thema dazu, dass den Klubs das Heft des Handelns aus der Hand genommen wurde. Weil Stadionverbote bisweilen nur sehr zögerlich umgesetzt wurden, um es sich mit der eigenen Fanszene nicht zu verderben, wird nun, ebenfalls auf Druck der Politik, eine zentrale Instanz eingerichtet, die solche Verbote ausspricht und überwacht – ein sinnvoller Schritt, der helfen könnte, zumindest einen Teil der Problemklientel zur Räson zu bringen.
Bei den Polizeikosten ist allerdings zu befürchten, dass Krawallmacher sich nicht darum scheren, wer die Zeche zahlt, selbst wenn es dem eigenen Verein an den Geldbeutel geht. So wie es schon mit den Strafen ist, die wegen Pyrotechnik oder ähnlicher Vergehen verhängt werden.
Auch die Politik darf es sich deshalb nicht zu leicht machen, indem sie künftig einfach zum Rechnungsblock greift; sie sollte an anderer Stelle, bei den Fanprojekten, bei der Prävention, unbedingt am Ball bleiben. Vor allem aber der Fußball steht vor unbequemen Fragen: Wie ernsthaft er das Thema anpackt, ob er kooperativ nach Strategien sucht oder ob er am Ende einfach die Fans zur Kasse bittet, über erhöhte Eintrittspreise.
Ein Anfang wäre erst mal etwas anderes: Nicht zu schauen, wie sich jeder Einzelne am günstigsten aus der Affäre stiehlt. Sondern die Verantwortung, die Karlsruhe unzweideutig formuliert hat, auch so anzunehmen.