2024-06-11 15:50:27
In Großbritannien hat eine Debatte über die Zinsen, die die Notenbank den Geschäftsbanken zahlt, an Fahrt gewonnen. Einige Politiker, Ökonomen und Finanzjournalisten raten dazu, die Zinsen zu senken oder abzuschaffen. Ausgerechnet der Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage, der mit seiner Reform-Partei zur Wahl am 4. Juli antritt und die Tory-Regierung bedrängt, hat die Debatte mit einem Vorstoß neu angefeuert. Aus der Notenbank gibt es dagegen aber Bedenken. Sie fürchtet, dass ihre Geldpolitik gestört würde. Für die Labour-Partei könnte es dennoch verlockend sein, den Zins anzutasten. Nach einer Regierungsübernahme könnte sie Milliarden-Spielräume im Staatshaushalt schaffen, falls sie die Regel abschafft, dass das Finanzministerium Verluste der Bank of England ausgleichen muss.
Gegenwärtig erhalten die Geschäftsbanken den Leitzins von 5,25 Prozent auf alles Geld, das sie bei der Bank of England (BoE) parken. Da die Notenbank im Zuge der „Quantitativen Lockerung“ (QE) nach der Finanzkrise gewaltige Mengen Anleihen gekauft und damit eine sehr hohe Liquidität geschaffen hat, gibt es viel Überschussliquidität. Aktuell beläuft sich der QE-Bestand noch immer auf mehr als 700 Milliarden Pfund. Die Banken parken das Geld bei der Notenbank.
150 Milliarden Pfund Verluste in den nächsten Jahren
Dadurch ergeben sich in dem steilen Zinsanstieg seit 2022 hohe Verluste für die Notenbank. Etwa 40 Milliarden Pfund zahlt sie derzeit auf die Einlagen. Netto beträgt der jährliche Verlust aus dem QE-Programm etwa 23 Milliarden Pfund. Nach allgemeinen Schätzungen, die aber von der künftigen Zinsentwicklung abhängen, wird die Notenbank in den kommenden Jahren mehr als 150 Milliarden Pfund Verluste machen. Das reißt ein großes Loch in den Staatshaushalt und schränkt den fiskalischen Spielraum der Regierung stark ein. Nach der geltenden Rechtslage muss das Finanzministerium die QE-Verluste ausgleichen. Zuvor hatte der Staat von QE-Gewinnen profitiert. Einzelne Ökonomen haben geraten, die Regel abzuschaffen, dass der Staat die QE-Verluste der Notenbank direkt ersetzt. In Kontinentaleuropa erhalten die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Euro-Notenbanken wie die Deutsche Bundesbank, die mit ihren QE-Programmen nun wie die BoE hohe Verluste machen, keinen Ausgleich vom Staat.
Andere Ökonomen wollen das Einlagenzinssystem reformieren. Ein früherer Vize-Gouverneur der BoE, Paul Tucker, unterstützt seit Längerem die Idee, Banken nichts mehr zu zahlen. Auch der Ex-Schatzkanzler Gordon Brown rät dazu. Seine Labour-Parteifreundin Rachel Reeves, die wahrscheinlich die kommende Finanzministerin wird, hat sich noch nicht öffentlich geäußert.
Die Banken stemmen sich verständlicherweise dagegen. Sie würden viel Geld verlieren. Die Notenbank scheut die öffentliche Debatte eher. Sie fürchtet aber, dass sie ohne den Einlagenzins ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen die Inflation verlieren würde. Denn würde der Zins für die Einlagen schlagartig auf null gesenkt, könnten sich Banken das überschüssige Geld untereinander ausleihen, und der de facto geltende Zins für Liquidität würde schlagartig sinken. Damit verlöre der Leitzins der Notenbank seine steuernde Wirkung. BoE-Gouverneur Andrew Bailey warnte, „es würde die Implementierung unserer Geldpolitik verkomplizieren und schwächen“. Der frühere BoE-Funktionär William Allen nannte die Vorschläge zur Abschaffung des Einlagenzinses „sehr gefährlich und kontraproduktiv“.
Eher gemäßigte Ökonomen schlagen ein abgestuftes System vor. Von der EZB erhalten die Banken einen niedrigeren Einlagenzins. Der EZB-Leitzins wurde jüngst auf 4,25 Prozent gesenkt, der Einlagenzins liegt einen halben Punkt darunter bei 3,75 Prozent. Auf die Mindestreserven der Banken zahlt die EZB seit September 2023 nichts mehr. Nach einer Berechnung der Schweizer UBS würden die acht größten Banken im Vereinigten Königreich etwa 200 Millionen Pfund im Jahr einbüßen, falls die britische Notenbank einen ähnlich abgestuften Einlagenzins einführen würde.
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