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Etude sur les conflits d’intérêts en science

by Nouvelles

2024-11-04 20:21:00

Zweifel lassen sich messen. Das zeigt eine neue empirische Untersuchung ei­ner Gruppe von Ökonomen aus den Vereinigten Staaten und England über die Auswirkungen von Interessenkonflikten in der sozialwissenschaftlichen Forschung (John Manuel Barrios, Filippo Lancieri, Joshua Levy, Shashank Singh, Tommaso M. Valletti und Luigi Zingales, „The Conflict-of-Interest Discount in the Marketplace of Ideas“, George J. Stigler Center for the Study of the Economy & the State Working Paper No. 348). Die Befragten sollten angeben, wie sehr ihr Vertrauen in die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung sinkt, wenn die Verfasser Interessenkonflikte haben, etwa weil sie von den Resultaten finanziell profitieren, ihre Karriere damit befördern oder politische Voreinstellungen haben, die mit den Resultaten im Einklang stehen. Im Durchschnitt sank das Vertrauen in die Richtigkeit der Ergebnisse in diesen Fällen um 30 Prozent.

Das Ergebnis gilt für recht vielfältige Empfängerkreise, denn das Misstrauen tritt in ähnlichem Umfang bei sehr unterschiedlichen Gruppen von Befragten auf – sowohl in der breiten Bevölkerung als auch bei Fachexperten. Diese Befunde sollten alle Sozialforscher aufhorchen lassen: Der Verdacht von Interessenkonflikten schwächt ihre Botschaft.

Aber sind die Zweifel angebracht? Die Antwort ist ein doppeltes Ja. Erstens gibt es umfangreiche empirische Evidenz dafür, dass interessierte Parteien auf Forschung Einfluss nehmen. So sind Ergebnisse von medizinischen Studien oft für diejenigen Unternehmen günstiger, die in der einen oder anderen Form in geschäftlicher Verbindung mit den involvierten Experten stehen. Zweitens lassen sich die psychologischen Mechanismen der Beeinflussung überprüfen – was die Hypothese, dass eine Beeinflussung tatsächlich stattfindet, ebenfalls untermauert.

Enorm einflussreiche Perspektive

Eine klassische psychologische Studie legt zwei Gruppen von Teilnehmern denselben Text über einen Gerichtsfall vor und weist nach, dass die Gruppen den Fall ganz unterschiedlich einschätzen, je nachdem welche Rolle ihnen zu Beginn zufällig zugewiesen wird: die des Klägers oder des Beklagten. Werden sie nach der Lektüre des Textes um ihre Erwartung gebeten, wie ein echtes Gericht in diesem Fall tatsächlich entschieden hat, tendieren sie zuverlässig zu einer Einschätzung, die zu ihren Gunsten verzerrt ist, entsprechend ihrem Part im Rollenspiel. Solche „self-serving biases“ und eine Vielzahl von weiteren in der neueren Forschung gefundenen „motivated beliefs“ geben inzwischen ein recht klares Gesamtbild ab. Die Perspektive, aus der die Wirklichkeit wahrgenommen und konstruiert wird, ist enorm einflussreich.

Menschen versuchen allerdings auch, ihr Selbstbild nicht dadurch zu kompromittieren, dass sie sich als beeinflussbar wahrnehmen. Das wird in einem ökonomischen Experiment über Finanzberatung deutlich, in dem den Teilnehmern in der Rolle der Berater eine Provision gezahlt wurde, wenn der Kunde ein bestimmtes Produkt kauft. In einer ersten Variante des Experiments erfuhren die Teilnehmer von dieser Provision erst, nachdem sie gebeten worden waren, sich selbst eine Meinung über die Produkte zu bilden. In dieser Variante konnten sie also bereits planen, welches Produkt sie den Kunden mit welcher Begründung empfehlen wollen. In der anderen Version erhielten sie die Information über die Provision gleich zu Beginn, in Verbindung mit der Beschreibung der Produkte, und sie konnten ihre Überlegungen nach der Provision richten. Tatsächlich haben die Berater in diesem Fall das Produkt, das mit der Provision verbunden war, deutlich häufiger empfohlen.

Relevantes Motiv der Reziprozität

Eine naheliegende Interpretation ist, dass es für sie in dieser Variante leicht war, sich selbst davon zu überzeugen, dass das mit der Provision verbundene Produkt ohnehin das bessere Produkt für den Kunden ist. In der ersten Variante dagegen hatten sich viele Berater innerlich schon auf ein anderes Produkt festgelegt, das sich dann erst im weiteren Verlauf als wenig lukrativ für sie selbst herausstellte. Sie hätten von ihrem ur­sprünglichen Plan abweichen müssen, um die Provision zu erhalten. Diese Abweichung wollten sie nicht vornehmen, was ihnen zur Ehre gereicht. In der ersten Variante dagegen, wo sie beim Eintreffen der Nachricht über den finanziellen Anreiz innerlich noch nicht festgelegt waren, war die Beeinflussung stark.

Neben verzerrten Wahrnehmungen ist auch das Motiv der Reziprozität relevant. Kleine Geschenke erhalten nicht nur die Freundschaft, sondern führen zu Gegengaben und Gefälligkeiten. Das wird in der Forschung mit großer Zuverlässigkeit nachgewiesen, und der Effekt zeigt sich in den einschlägigen Untersuchungen selbst dann, wenn der Beschenkte die Absicht des Schenkenden kennt. Auch wenn die strategische Nützlichkeit eines Geschenks also ganz offensichtlich ist, wird es belohnt. Der Beschenkte reagiert übrigens sogar dann auf das Geschenk, wenn der Schenkende von der Reaktion gar nichts erfährt. Reziprozität ist offenbar ein sehr starkes Band. Übertragen auf die Frage von Interessenkonflikten, legen die Ergebnisse nahe, dass Transparenzregeln nicht ausreichen. Um Gegengaben auszuschließen, muss sichergestellt sein, dass bestimmte Geschenke erst gar nicht erst gemacht werden dürfen.

Unklarheit über bestehende Interessenkonflikte

Aber zurück zur Beobachtung, dass der Wert von Forschungsergebnissen durch Interessenkonflikte sinkt. Was folgt daraus für die Verhaltensregeln für Forschende? Ethikkodizes und andere Regelwerke werden häufig als lästig und überflüssig angesehen, da sich die meisten Forscher ja ohnehin an die darin formulierten Vorschriften und Empfehlungen halten, aber ihre Außenwirkung ist wichtig. Die neue Studie über die Glaubwürdigkeit von sozialwissenschaftlichen Forschungsergebnissen zeigt dementsprechend auch, wie die Rezipienten der Forschung auf die Information zum Vorliegen von Einflussmöglichkeiten reagieren. Wird versichert, dass kein Interessenkonflikt besteht, steigt das Vertrauen in die Erkenntnisse der Forschung. Besteht dagegen Unsicherheit über die Existenz von Interessenkonflikten, dann ist die Glaubwürdigkeit aller Ergebnisse relativ gering – ob sie nun mit oder ohne Interessenkonflikte erstellt wurden –, weil die Rezipienten eben Zweifel an der Integrität der Forschung hegen. Die schwarzen Schafe vermindern also das Ansehen der gesamten Herde, auch wenn man sie im Einzelnen nicht identifizieren kann.

Ein solcher Vertrauensverlust ist übrigens nicht nur bei Forschungsstudien, sondern auch bei der Beratung durch Wissenschaftler zu erwarten. Gerade in der Politikberatung ist die Existenz von Interessenkonflikten naheliegend, und es besteht eine beklagenswerte Unklarheit darüber, bei welchen Experten Interessenkonflikte bestehen. Das Vertrauen in die beratenden Wissenschaftler und die Expertengremien wäre am höchsten, wenn sie öffentlich und glaubwürdig erklärten, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Genau aus diesem Grund haben viele Fachzeitschriften und wissenschaftliche Organisationen inzwischen öffentlich einsehbare Verhaltenskodizes, die detaillierte Auskunft über Interessenkonflikte verlangen. Es ist nicht verständlich, wenn Beratungsgremien der Politik nicht mit derselben Stringenz vorgehen. Die Öffentlichkeit und die Wissenschaftler selbst sollten an der transparenten Einführung von Ver­haltenskodizes ein großes Interesse ­haben.



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