2024-12-01 17:10:00
War da was mit Wirtz? Es klang fast ein bisschen so, als Xabi Alonso am frühen Samstagabend über seinen besten Spieler sprach. Genauer: als es darum ging, ob es sein Plan gewesen sei, jenen Florian Wirtz je nach Sichtweise so früh oder so spät ins Spiel bei Union Berlin zu bringen. „Wir haben gestern gesprochen“, sagte der Leverkusener Trainer. „Es gab kein Problem, aber . . .“ – und da zögerte Alonso kurz, ehe er hastig fortfuhr: „Er hat es sehr gut gemacht.“
Aber? In diesem sprachlichen Detail steckte zum Leverkusener Glück kein Teufel, wie Simon Rolfes später berichten konnte: Es sei lediglich um die Kräfteverteilung gegangen. Und spätestens da war klar, dass Wirtz mit voller Kraft ins Pokalspiel am Dienstag beim FC Bayern gehen würde (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal, in der ARD und bei Sky). Ein Spiel, auf das Sportgeschäftsführer Rolfes mit durchaus mutigem Blick vorausschaute, nach drei Siegen aus drei Spielen in acht Tagen: 5:2 gegen Heidenheim, 5:0 gegen Salzburg, 2:1 bei Union Berlin – das war eine Woche ganz nach Leverkusener Geschmack.
Und so sagte Rolfes nicht nur diesen Satz: „Wir sind eine starke Mannschaft, und das werden wir in jedem Fall zeigen.“ Sondern, mit Blick auf den Meistermodus des vergangenen Jahres, auch diesen: „Wir kommen wieder in diese Qualität.“
Prädikat „Weltklasse“
Allerdings musste man spätestens an diesem Punkt sagen: Da war noch was mit Wirtz. Es war nämlich keinesfalls so, dass Bayer mit meisterlicher Selbstverständlichkeit auf einen Sieg an der Alten Försterei zusteuerte. Dominant, das waren die Leverkusener über weite Strecken schon, und, ja, gerade auch zu Beginn der zweiten Hälfte, wie Rolfes betonte, als es 1:1 stand und Wirtz noch nicht auf dem Feld war. Aber dann war es eben womöglich nicht nur gut, ihn zu haben. Sondern schon so, dass sie ihn auch brauchten.
In der 58. Minute kam Wirtz aufs Feld, und 13 Minuten später schlug er aus dem rechten Halbfeld eine Flanke fast ansatzlos und mit so raffinierter Flugkurve in den Berliner Strafraum, dass Patrik Schick den Ball mit der Brust zum Siegtreffer ins Tor drücken konnte.
Es war auch von Schick keine Selbstverständlichkeit, das muss man so erst einmal hinbekommen, ohnehin ist der tschechische Angreifer mit sechs Toren aus den letzten vier Spielen auch so etwas wie ein Mann der Stunde bei Bayer. Aber als Bo Svensson, der Union-Trainer, später über die entscheidende Szene des Nachmittags sprach, war es die Flanke von Wirtz, der er das Prädikat „Weltklasse“ verlieh.
„Sind eine bessere Mannschaft mit Flo“
Es ist gerade eine bewegende, eine besondere Zeit in der Karriere des Florian Wirtz, gerade mal 21 Jahre alt. In der Gegenwart spielt er für Bayer Leverkusen, und wenn er spielt, ist er jederzeit in der Lage, den Unterschied zu machen. An Wirtz liegt es nicht, dass Bayer in dieser Saison zu oft nicht in dem Modus war, von dem Rolfes sprach, allenfalls daran, dass auch Wirtz manchmal seine Kräfte schonen muss. „Er ist natürlich ein Gamechanger, von Anfang an, aber auch von der Bank“, sagte Alonso am Samstag. „Wir sind eine bessere Mannschaft mit Flo auf dem Platz, aber wir müssen ihm auch helfen, wir müssen ihn schützen.“
Wenn er spielt, spielt aber gerade immer auch noch etwas anderes mit: die Frage, wo er das in Zukunft tun wird. Und das Schöne daran ist, dass Wirtz mit seiner innerfamiliären Beratung, die in dieser Branche als etwas ziemlich Exzentrisches gelten darf, etwas schafft, das man auch über sein Spiel sagen kann: Es ist nicht zu durchschauen.
Wird das was mit Wirtz? Unter diesem Motto werden gewiss die nächsten Tage in München stehen, zumindest medial. Aus rein fußballliebhaberischer Sicht muss man ja auch sagen: Es wäre fast zu schön, um wahr zu sein, wenn es dem FC Bayern gelänge, das in einem Trikot zu vereinen, was es bislang nur in dem der Nationalmannschaft gibt: Jamal Musiala und Wirtz, die beiden Brüder im Geiste, die ganz unterschiedliche Wege gegangen sind, aber jetzt mit ganz ähnlichen Fähigkeiten am selben Punkt stehen: die Fußballwelt aus den Angeln heben zu können (wenn ihnen jemand die Freiheit dafür schafft). Nicht nur einSpiel verändern zu können, sondern vielleicht, zusammen, auch ein bisschen das Spiel.
Dass dafür auch der FC Bayern etwas aus den Angeln heben müsste, steht auf einem anderen Blatt. „Wir sind nicht bei ‚Wünsch dir was‘“, sagte Sportvorstand Max Eberl nach dem 1:1 der Münchner in Dortmund am Samstag mit Blick auf die angestrebte Vertragsverlängerung mit Musiala. Aber nach allem, was man hört, wären die Bayern bereit, ziemlich weit zu gehen.
Wie es ist, wenn man den Mantel der Fußballgeschichte nicht zu fassen bekommt, berichtete an diesem Wochenende unterdessen ein anderer: Hans-Joachim Watzke, der davon erzählte, wie der BVB ein Auge auf Wirtz geworfen hatte, als der noch bei der Kölner U 17 spielte.
Das aufstrebende Talent war in der Rückschau nicht schlecht beraten, als es sich für den vermeintlich kleineren Schritt, aber einen kontinuierlichen Karriereweg entschied. In Dortmund aber stellt man sich nun womöglich schon diese Frage, die man sich in München später ganz bestimmt nicht stellen müssen will: Was wäre mit Wirtz gewesen?
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