2024-08-17 06:05:00
Vier Wochen nach einem Wirbelwindstart in den Wahlkampf hat Kamala Harris die Eckpfeiler ihrer künftigen Wirtschaftspolitik vorgestellt. Mit ihr werde es eine „Wirtschaft der Möglichkeiten“ geben, äußerte die demokratische Präsidentschaftskandidatin in einer Rede in Raleigh, North Carolina, am Freitagnachmittag. Gemeint war die Chance auf wirtschaftlichen Aufstieg oder mindestens auf wirtschaftliche Entlastung für alle Amerikaner. Harris verspricht eine erhebliche finanzielle Entlastung der amerikanischen Mittelschicht und von Amerikanern mit niedrigerem Einkommen.
Das Thema ist für die Demokratin besonders wichtig, weil eine Mehrheit der Amerikaner die Biden-Regierung für die hohen Lebenshaltungskosten infolge der Inflation verantwortlich macht; Umfragen sehen Donald Trump in diesen Fragen in den allermeisten Fällen vorn. Harris tritt wirtschaftspolitisch in die Fußstapfen Präsident Joe Bidens. Viele ihrer Vorhaben stammen aus der derzeitigen Regierung, gehen jedoch weiter – und werden von der Demokratin klarer artikuliert. Eine Übersicht über die fünf wichtigsten Punkte.
Kampf gegen hohe Lebensmittelpreise
Für viele Amerikaner ist die wirtschaftliche Lage, genauer gesagt die Inflation, das wichtigste Thema der Wahl im November – und die Quelle der größten Unzufriedenheit. Das betrifft vor allem die gestiegenen Lebensmittelpreise, die im Schnitt zwanzig Prozent höher sind als noch vor vier Jahren. Zwar ist die Inflation gesunken, aber das schlägt sich nicht in den Preisen im Supermarkt nieder. Harris sagte am Freitag denn auch, sie wisse, dass viele Amerikaner den Rückgang der Inflation noch nicht spürten. „Die Preise sind immer noch zu hoch“.
Sie kündigte deswegen an, in den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit ein nationales Verbot von Wucherpreisen durchzusetzen, auch wenn Kritiker an dessen Effektivität zweifeln. Außerdem will sie der amerikanischen Handelsbehörde FTC erlauben, in dieser Sache sowie bei Preisabsprachen gegen Großunternehmen vorzugehen. Sie wisse, die meisten amerikanischen Unternehmen trügen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei, indem sie Arbeitsplätze schafften und sich an die Regeln hielten. „Aber manche tun das nicht und das ist unrecht. Dann müssen wir handeln.“ Sie habe als junge Frau bei McDonalds gearbeitet, äußerte Harris weiter, und sie wisse, wie es sei, wenn vor lauter Rechnungen „am Ende des Monats nicht viel übrigbleibt“.
Erschwinglichere Immobilien
Auch in dieser Sache begann Harris mit einer persönlichen Anekdote. Ihre eigene Mutter habe „ein gutes Jahrzehnt“ gebraucht, um ein Haus kaufen zu können, äußerte die Präsidentschaftskandidatin am Freitag. Dann sprach sie vom amerikanischen Stolz, ein eigenes Haus zu besitzen. In den nächsten vier Jahren sollen laut ihrem Vorhaben drei Millionen neue Wohneinheiten entstehen, um die Wohnungsknappheit in den Vereinigten Staaten abzumildern. Ein ähnliches Vorhaben der Biden-Regierung hatte den Bau von zwei Millionen neuen Wohneinheiten vorgesehen. Unternehmen, die solche Immobilien bauten, sollen Steuererleichterungen bekommen.
Außerdem soll ein sogenannter Innovationsfonds in Höhe von vierzig Milliarden Dollar Kommunalverwaltungen ermutigen, mehr Wohnraum zu schaffen (unter Biden waren dafür zwanzig Milliarden Dollar vorgesehen). Neue Hausbesitzer sollen künftig Anzahlungshilfen von 25.000 Dollar zur Verfügung gestellt bekommen.
Steuererleichterungen für Familien
Sie wolle den Amerikanern mehr von ihrem hart erarbeiteten Geld lassen, äußerte Harris in Raleigh gleich mehrfach. Sie werde Steuererleichterungen erlassen, die mehr als hundert Millionen Menschen zugutekämen. Konkret geht es dabei um Einkommenssteuererleichterungen von bis zu 1500 Dollar für Amerikaner mit niedrigerem Einkommen und eine Erweiterung der Steuergutschriften für Familien mit Kindern. Dafür sollen Eltern, wie zuletzt in der Corona-Pandemie, statt 2000 Dollar dauerhaft bis zu 3600 Dollar Steuererleichterungen erhalten. Im ersten Lebensjahr eines Kindes könnten Mittelschichtfamilien und Geringverdiener bis zu 6000 Dollar Vorteile erhalten.
Biden und die Demokraten waren bislang jedoch nicht erfolgreich mit dem Versuch, diese Pandemieregelung in ein Gesetz zu gießen; ein entsprechender Entwurf scheiterte Anfang August im Senat am Widerstand der Republikaner.
Preissenkungen für rezeptpflichtige Medikamente
Harris kündigte in Raleigh auch an, sie werde sich dem Problem der hohen Gesundheitskosten stellen. Schon als Justizministerin von Kalifornien habe sie sich mit Krankenversicherungskonzernen und der Pharmaindustrie angelegt. Mit Joe Biden habe sie als Vizepräsidentin dafür gesorgt, dass die Preise für Insulin und die Gesamtgesundheitskosten für Senioren gedeckelt worden seien. Das war Teil des „Inflation Reduction Act“ von 2022. Medicare, Träger der öffentlichen Krankenversicherung für Rentner, habe niedrigere Medikamentenpreise ausgehandelt.
Schon am Donnerstag hatten Biden und sie bei einem Auftritt in Maryland angekündigt, die Preise von weiteren zehn Medikamenten zu senken. Sie wolle nun weiter gehen. Sie wolle die Medikamentenpreise für alle senken, nicht nur für Rentner. Sie werde sich für ein transparentes Preissystem einsetzen.
Schuldenstreichung für medizinische Behandlungen
Weiter sagte Harris, dass Biden und sie schon vor zwei Monaten angekündigt hätten, dass Darlehen, die Patienten aufgenommen hätten, um ihre Arzt-, Krankenhaus- und Medikamentenrechnungen zu begleichen, nicht mehr negativ auf deren Kreditwürdigkeit angerechnet würden.
Nun sagte die Kandidatin in Raleigh, als Präsidentin werde sie dafür sorgen, dass diese Schulden für Millionen Amerikaner erlassen würden. Die öffentliche Hand werde dafür aufkommen. Harris hatte schon früher mit dem Gouverneur von North Carolina, Roy Cooper, an einer solchen Initiative für den Bundesstaat gearbeitet. Eine Krankheit oder die Pflege eines Angehörigen dürfe nicht zu finanzieller Not führen. Amerikaner haben für ihre Gesundheitsausgaben Schulden von 220 Milliarden Dollar angesammelt. Der Kongress müsste der Maßnahme zustimmen, die von Republikanern abgelehnt wird. Harris Vorstoß geht auf eine Initiative des progressiven Flügels der Demokraten zurück.
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