Home » Divertissement » Inexpliqué dans le nouveau Groko

Inexpliqué dans le nouveau Groko

by Nouvelles

2025-02-25 08:25:00

Brexit, Trump, Landtagswahl 2021 in Sachsen-Anhalt: Weil die Demoskopen zuletzt mehrfach danebenlagen, herrscht jetzt einige Verwunderung bei allen Parteien, dass die Bundestagswahl weitgehend so ausgegangen ist, wie es seit Wochen prognostiziert wurde. Bis auf die Linke hatten alle Parteien auf ein bisschen mehr gehofft, als die Umfragen hergaben (manche auch auf ein gutes bisschen mehr), einen Bonus, der nun unverschämterweise ausgeblieben ist. Erstaunlicherweise ist das Ergebnis aber so klar und einfach, wie das bislang nur selten vorgekommen ist.

Auch wenn die neue Ausgabe von „Hart aber fair“ nun also fragt, wer Deutschland jetzt verändern werde – das Thema der Sendung wurde bereits vor der Wahl festgelegt –, scheint doch ziemlich eindeutig, welche Koalition das sein muss; fraglich ist allein, was die gestutzte SPD der nicht mehr ganz so kraftmeierisch auftretenden CDU dafür abverhandelt. Einen Tag nach der Wahl, zu einer Zeit mithin, in der bei den Grünen und in der FDP heller Aufruhr herrscht, weil die Generäle gekränkt von der Fahne gehen, fragt der Teaser zur „Hart aber fair“-Sendung weiterhin: „Kommen die Grünen als Partner in Frage?“ (Nein!) Und: „Fliegt die FDP aus dem Bundestag?“ (Ja!) Es ließe sich die Frage anschließen: Arbeitet irgendwer am Tag nach der Wahl in dieser Redaktion? Den Teaser der großen Montags-Talkshow irgendwann bis zur Sendung den neuen politischen Realitäten anzupassen, hätte man schon erwarten dürfen.

Eingemauert in ideologischen Festungen

Richtig war indes der Impuls, nicht erneut die übermüdeten Kämpfer aus der ersten Reihe einzuladen, die man seit Wochen auf allen Kanälen und auch direkt zuvor – erfreulich scharf interviewt von Markus Preiß – im „ARD Brennpunkt“ gesehen hat. Es war erhellend, dass sowohl CDU-Strippenzieher Thorsten Frei (den nicht wenige für den nächsten Kanzleramtsminister halten) als auch CSU-Sonnenkönig Markus Söder in jenem „Brennpunkt“ an die Verantwortung der SPD appellierten, ohne große Mätzchen in die Regierung von Friedrich Merz einzutreten. Von der „letzten Patrone der Demokratie“ sprach Söder. Die Verantwortung räumte der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil in einer interessanten Formulierung auch durchaus ein („wir wissen um die Verantwortung“) und machte doch zugleich deutlich, dass die Entscheidung für die Koalition ihren Preis habe.

Bei Louis Klamroth saßen nun vier Politiker, die die Chance gehabt hätten, auf anderer, kollegialerer oder wenigstens technischerer Ebene ins Gespräch zu kommen. Daraus wurde nichts. Auch in der zweiten Reihe, so der fatale Eindruck, sind deutsche Politiker inzwischen so sehr eingemauert in ihren jeweiligen Festungen aus nicht mehr verhandelbar erscheinenden Parteipositionen und Sprachregelungen, dass einem bange werden konnte um die Koalitionsfähigkeit per se. Als sich die Vertreter von CDU und SPD wieder einmal in den Haaren hatten, kommentierte die FDP-Vertreterin mit spitzer Zunge: „Ich wünsche Ihnen frohe Koalitionsverhandlungen.“

Plädoyers für die Nichtaufarbeitung

Am Beginn stand das große Wegducken. Wolfgang Schmidt (SPD), Chef des Bundeskanzleramts und einer der engsten Vertrauten von Olaf Scholz, wollte das miese Abschneiden der SPD nicht auf die mangelnde Beliebtheit des Noch-Kanzlers zurückführen, sondern auf eine Zeitstimmung. „Überall in Europa“ seien Regierungen abgewählt worden. Schuld sei „die Krise“ in der Folge des Ukrainekriegs; die Unzufriedenheit der Bürger würde dann beim Regierungschef abgeladen. Zur Frage, ob Boris Pistorius da dann nicht doppelt der bessere Kandidat gewesen wäre, sagte Schmidt allen Ernstes: „Diese Rückschau (…) ist für Talkshows vielleicht interessant, aber fürs Land, glaube ich, nicht ganz so spannend. Und auch für eine Partei ist es meist nicht so sinnbringend, so eine Nabelschau zu betreiben.“

Ein Plädoyer für die Nichtaufarbeitung also, dem Philipp Amthor (CDU) sogar zustimmte, allerdings nur, um sogleich die Erwartung an Olaf Scholz daran zu knüpfen, dem Kanzler in spe, Friedrich Merz, nun entgegenzukommen. Was die Performance der CDU bei der Wahl angeht, räumte Amthor ein, man hätte sich über mehr als 30 Prozent natürlich schon gefreut, aber auch so sei der Wahlsieg ein großes „Comeback“: Man habe der CDU bei ihrer selbstverschuldeten Abwahl vor drei Jahren schließlich prognostiziert, viele Jahre in der Opposition verbringen zu müssen. Eine sehr gewundene Argumentation. Und dass die Unzufriedenheit damals mit dem Wort „Groko“ verschmolzen war und man nun in eben diese Koalition wieder einzutreten gedenkt, kommentierte Amthor nicht.

Blind vor Zuversicht

Noch schwammiger wurden die Ausreden bei Andreas Audretsch, dem Wahlkampfmanager und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, auf die schlichte Frage, ob es am Kandidaten oder an der Kampagne gehapert habe. „Wir kamen aus einem sehr schwierigen Kontext, aus einer sehr verstrittenen Koalition“, sagte Audretsch. Man habe sich von 10 Prozent Zustimmung dann „nach oben gekämpft“ (auf 11,6 Prozent). Eine „riesige Dynamik“ habe man sogar erlebt, 12 Millionen Euro Spenden von über hunderttausend Menschen erhalten, über 42.000 neue Mitglieder requiriert. Realitätsverweigerung also auch hier. Der schwer misslungene Griff nach dem Kanzleramt wird zur kleinen Erfolgsgeschichte zurechtgesponnen; vielleicht eine letzte Zuckung des „Zuversicht“-Mantras Robert Habecks.

Nur Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) redete nichts schön, weil es beim Scheitern an der Fünfprozenthürde wenig schönzureden gibt. Außerdem schaut sie aus der Distanz – aus dem Europaparlament – auf die hiesige Politik. Ob sie die Nachfolge Christian Lindners als Parteivorsitzende anstrebe, wollte sie allerdings nicht verraten, prognostizierte jedoch schwere Zeiten für ihre Partei: „Das Interesse an einer Partei, die nicht mehr relevant ist, mitzustimmen, wird sich sehr schnell erledigen.“

Antifaschistischer Nachhilfeunterricht

Bei so wenig Bereitschaft zu echter Selbstkritik, verwundert es kaum, dass die allen Anwesenden gemeinsame, glaubhafte Besorgnis angesichts der massiv gestiegenen Zustimmungswerte der in Teilen rechtsextremen AfD nicht zu einer ehrlichen Diskussion darüber führte, was die Parteien der Mitte falsch gemacht haben – sondern schnurstracks zurück in den Wahlkampf. Die nicht sehr tiefgehende Analyse von Wolfgang Schmidt, die AfD würde sowohl von Protestwählern als auch von tatsächlichen Rechtsextremen gewählt, wurde auch nicht viel komplexer durch Amthors Ergänzung, dass auch „ganz normale Leute aus der Mitte der Gesellschaft“ ihr Kreuz bei den Blauen machten. Deshalb wolle die CDU auch keine Brandmauer gegenüber den Wählern der AfD errichten, während die Funktionäre der Partei die politischen Gegner darstellten.

Sehr schnell landete man beim „Tabubruch“ der beiden Abstimmungen, in denen die CDU auf die Stimmen der AfD gesetzt hatte. Erregt wurden die sattsam gehörten Vorwürfe und Legitimationen noch einmal hervorgeholt. Bei ihm sei wirklich Vertrauen zerstört worden, sagte Audretsch: „Das galt immer als Grundregel: Niemals mit den Rechtsextremen.“ Philipp Amthor verbat sich den „antifaschistischen Nachhilfeunterricht“ und behauptete hartnäckig, man habe die Abstimmungen nicht aus parteitaktischen Gründen initiiert. Damit habe die CDU letztlich nur die Linke und die AfD gestärkt, hielt Schmidt entgegen. Der erfolgreich angenommene Entschließungsantrag („eine bessere Pressemitteilung“ nannte ihn Schmidt), der sogenannte „Fünf-Punkte-Plan“, sei laut Amthor auch keineswegs Makulatur, nur weil Friedrich Merz eingeräumt habe, dass nicht alle vollziehbar Ausreisepflichtigen unmittelbar in Haft genommen werden könnten, wie das unter Punkt 4 vorgesehen war. So ganz schien sich aber auch Amthor für den Fünf-Punkte-Plan nicht verkämpfen zu wollen. Er ist vielleicht doch bereits weitgehend Makulatur.

Die Taurus-Gretchenfrage

Dass wieder ein wenig Einigkeit unter den Gästen aufkam, lag ausgerechnet an den Einsprüchen der Journalistin Gilda Sahebi, die zwar erkennbar auf eine wichtige Differenzierung hinauswollte – es solle über Migration nicht pauschal als Problem gesprochen werden: da bediene man nur das AfD-Narrativ –, die das aber so undifferenziert und unbeholfen tat, dass sich alle gegen ihre Anwürfe verwahrten. Tatsächlich wirkte es eher läppisch als provokant, wenn Sahebi etwa über die CDU sagte: „Die Art und Weise, wie sie Politik machen wollen, ist natürlich, den Menschen, die sowieso schon viel haben, noch mehr geben“. Auf Amthors Einwurf hin, „da müssen Sie nicht nur ‚taz‘ lesen“, verlor sie den Faden komplett und stammelte sich in eine Merz-Trump-Parallelisierung hinein, der nicht mehr wirklich zu folgen war.

Leicht betreten ob dieses Debattenniveaus nahmen sich die Politiker daraufhin etwas zurück. Hitziger wurde es noch einmal bei der Frage, ob denn Friedrich Merz bei seinem Versprechen bleibe, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, wie Strack-Zimmermann – hier nun bei ihrem Herzensthema – sehr direkt einforderte. Gegen das Eiern Schmidts in dieser Frage („ist kein Game Changer“; „inzwischen hat sich die Welt nochmal verändert“), der zwar nicht von einer roten Linie sprechen wollte, aber wenig begeistert schien von der Idee, wetterte Strack-Zimmermann in wünschenswerter Klarheit: „Ja, Deutschland hat am meisten gemacht, aber es reicht nicht. Und wenn die Amerikaner sich zurückziehen, ist es in unserem Interesse, dass wir es machen.“ Das sei gerade jetzt wichtig, „weil die Ukraine gerade davor ist, wirklich in die Knie zu gehen“.

Populismus auf allen Seiten

Interessant war auch, worüber nicht gesprochen wurde. Obwohl Olaf Scholz und Robert Habeck in den letzten Wochen in Dauerschleife davor warnten, Friedrich Merz sei nach seinem „Wortbruch“ nicht mehr zu trauen, ging hier – wie schon zuvor im „Brennpunkt“ – niemand davon aus, dass es tatsächlich zu Koalitionsverhandlungen oder anderen Absprachen der CDU mit der AfD kommen könnte, auch nicht, um die SPD taktisch unter Druck zu setzen. Wie scheinheilig und populistisch der Wahlkampf von allen Seiten war, wurde auch daran im Rückblick noch einmal deutlich. Mit etwas mehr Anstand und Würde in der Kommunikation wäre wohl schon viel gewonnen.

Hätte diese Ausgabe von „Hart aber fair“ nur aus dem bisher Betrachteten bestanden, wäre sie weitgehend verzichtbar gewesen, weil man in all diesen Redewechseln über oft gehörte, einstudiert wirkende und klar gegeneinander abgegrenzte parteipolitische Phrasen und Floskeln nicht hinauskam. Auch machte Moderator Louis Klamroth nicht die beste Figur dabei, diese fast schon automatisiert ablaufenden Debatten aufzubrechen. Dann aber gab es, ein wenig überraschend, gegen Ende doch noch einen Game Changer in Sachen Talkshow-Sexyness. Es ging nämlich um eine ganz aktuelle, ja, akute Frage: die sich abzeichnende Bereitschaft von Friedrich Merz, die im Wahlkampf wortreich ausgeschlossene Reform der Schuldenbremse noch einmal zu überdenken. Und das vielleicht sogar im Eiltempo, um noch mit den Fraktionen des alten Bundestages – da hätten die Parteien der Mitte eine Zweidrittelmehrheit – eine solche Reform oder ein Sondervermögen für die Ukraine-Hilfen anzustoßen. Im neuen Bundestag könnten AfD und Linke diese Änderung oder die Einrichtung eines solchen Vermögens verhindern.

Schulden nur gegen Entgegenkommen

Die SPD hatte für eine solche Schuldenaufnahme immer geworben. Das Zusammentreten des alten Bundestags zu diesem Zweck sei eine Möglichkeit, sagte Schmidt. Jetzt scheint auch die CDU – hier in Gestalt von Philipp Amthor – damit kein Problem mehr zu haben, auch mit der Turbovariante nicht: „Der Bundestag ist noch vier Wochen im Amt.“ Die Abgeordneten würden ja nicht dafür bezahlt, Kisten zu packen. Außerdem sei ein Zusammentreten des Interims-Bundestages vor der Konstituierung des neuen in einer Notlage schon einmal geschehen (er meinte den Beschluss des 13. Bundestages im Oktober 1998 zur deutschen Beteiligung an den Nato-Luftoperationen im Kosovo-Konflikt). Es gehe natürlich nicht darum, „Freibier für alle“ über Schulden zu finanzieren. Daher sei das Ansinnen konsistent mit dem, was Merz zuvor versprochen habe.

Dass es da allerdings einen frappanten Widerspruch gibt und „dass es genau einen Tag gedauert hat“, bis dieses resolute Umschwenken erfolgte, kostete Audretsch genüsslich aus: „Es war so klar, dass genau das passieren wird.“ Spannend wurde es dann, als Audretsch sagen sollte, ob denn die ansonsten derzeit ohne größere Handlungsoptionen dastehenden Grünen bei einer solchen Abstimmung mitspielen würden. Sofort schaltete der Stratege in den Basarmodus: „Was nicht geht, ist, dass wir uns jetzt einen Punkt rauspicken und alles andere ignorieren.“ Ein Sondervermögen Bundeswehr ließe sich also mit den Grünen wohl machen, „aber dazu muss es natürlich ein Entgegenkommen geben“, also nur, wenn man zugleich Geld für Infrastruktur, Cybersicherheit und Weiteres aufnähme. So schnell können sich die Positionen verkehren. So schnell können Politiker der Mitte einander brauchen, können Kompromisse und Deals geschmiedet werden. Und so nah an der realen, konkreten Tagespolitik können Talkshows hier und da auch sein.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.