2025-02-17 19:13:00
Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) Deutschlands hat das Vorgehen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA im Fall des Tennisprofis Jannik Sinner in Frage gestellt. „In einem solch prominenten und richtungsweisenden Fall hätte ich mir eine klare und transparente CAS-Entscheidung gewünscht“, sagte Lars Mortsiefer, Vorstand der NADA, auf Anfrage der F.A.Z. am Montag: „So bleibt wohl nur, dass Athleten anscheinend nun immer mit der WADA einen Vergleich anstreben werden, um eine größtmögliche Reduktionsmöglichkeit zu erzielen.“
Mortsiefer bezog sich auf die Einigung des derzeit erfolgreichsten Tennisspielers mit der WADA nach zwei positiven Proben auf das androgene Steroid Clostebol vor rund einem Jahr. Sinner hatte erklärt, die geringen Mengen des entdeckten Clostebol kämen von einer Behandlung durch seinen Physiotherapeuten, der eine Fingerverletzung mit einem rezeptfreien Spray behandelt hatte, das Clostebol enthielt. Es kann über die Haut aufgenommen werden.
„Szenario des Athleten wissenschaftlich plausibel“
Die WADA hatte zunächst die Entscheidung in erster Instanz durch die International Tennis Integrity Agency (ITIA), Sinner habe keine Schuld und sei nicht fahrlässig gewesen, für unvereinbar mit dem WADA-Codex erklärt. Sie legte Klage beim Internationalen Sportgerichtshof (CA) ein, um den „wichtigen Grundsatz erfolgreich zu verteidigen, dass Sportler für die Handlungen ihrer Gefolge verantwortlich sind“.
Der WADA schwebte laut eigener Darstellung gemäß ihrer Sanktionsregeln eine Sperre von einem bis zwei Jahren für den Italiener vor. Am Samstag berichtete sie überraschend von einer Einigung mit Sinner auf eine Sperre für drei Monaten, gültig vom 9. Februar bis zum 5. Mai. Ihren Sinneswandel erklärte die WADA gegenüber der F.A.Z. so: „Durch eine gründliche Prüfung des Falles hat die WADA bestätigt und zugestimmt, dass das Szenario des Athleten wissenschaftlich plausibel und gut mit Fakten belegt ist. Angesichts seiner spezifischen Fakten wäre eine zwölfmonatige Sanktion unangemessen schwer gewesen.“
Die WADA verwies auf Artikel 10.8.2 ihres Kodex, der eine außergerichtliche Lösung eines Falles erlaubt und „dutzendfach“ angewendet worden sei. Sie fügte hinzu, dass damit „eine Herabsetzung unterhalb der sonst geltenden Sanktion“ möglich sei. Das stimmt. Mortsiefer gibt aber zu bedenken, dass „nach aktuellem Regelwerk eine Reduktion grundsätzlich nicht unter einem Jahr Sperre zulässig“ ist.
Allerdings hatten sich die Anti-Doping-Institutionen schon vor dem Fall Sinner auf die Festschreibung einer größeren Flexibilität für Sanktionen von 2027 an geeinigt. Darauf verwies die WADA, offenbar mit der Absicht, ihre Entscheidung zu stützen. Hintergrund für die Änderung ist die Zunahme von Kontaminationsfällen, seit die Nachweisverfahren immer geringere Mengen verbotener Stoffe nachweisen können.