2025-01-26 14:53:00
Schaut man sich ein wenig im Netz um, könnte man den Eindruck bekommen, in den „Tagesthemen“ der ARD sei am Samstagabend etwas Unerhörtes geschehen. Das Gespräch zwischen der Moderatorin Jessy Wellmer und der AfD-Chefin Alice Weidel anlässlich des Wahlkampfauftakts ihrer Partei in Halle sei eskaliert, Weidel sei peinlich und patzig und desavouiert, das werde Stimmen kosten, Wellmer hingegen sei eine Heldin, lautet ein Erzählstrang auf Social Media. Doch das ist Wunschdenken.
Fragen an die Oberlehrerin
Denn beide machen, was sie bei solcher Gelegenheit auch sonst tun. Jessy Wellmer stellt ruhig Fragen; bekommt sie keine konkrete Antwort, stellt sie die Frage noch mal. Alice Weidel rollt in jeder ihrer Antworten das Wahlprogramm der AfD aus. Sie macht das gerne oberlehrerinnenhaft und erinnert in ihrem Duktus an den noch amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz, der auch immer alles besser zu wissen meint.
Jessy Wellmer will von Alice Weidel in Erfahrung bringen, wie die massiven Steuererleichterungen zu finanzieren seien, die die AfD propagiert: Einkommensteuern, Unternehmensteuern, Energiesteuern sollten runter. „Was kostet das denn alles Ihrer Rechnung nach genau, also im Sinne einer Zahl?“, fragt Wellmer. Eine Zahl hat Weidel nicht parat, aber wie das Geld hereinzuholen sei, weiß sie schon. Der Staat müsse aufhören, Schulden anzuhäufen, „drastisch“ seine Ausgaben reduzieren und sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei fällig, für Asylbewerber keine Geld-, sondern nur noch Sachleistungen.
Ihre Forderungen rissen ein Loch von 181 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt, meint Wellmer, das habe das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet. Weidel findet solche Berechnungen unseriös und erachtet es ebenso als unseriös, von Wellmer die Seriosität abgesprochen zu bekommen, weil sie sich nicht auf eine Zahl festnageln lässt. Das sei negatives „Framing“. Dabei hat die Moderatorin nur gefragt. Dann kommen, wie bei Weidel nicht zum ersten Mal, wenn es für sie eng wird, vermeintliche Tonprobleme, der Rest ist Weglächeln.
Das ist Business as usual; ein Ritual, durch das Anhänger der AfD und die Gegner der Partei sich jeweils bestätigt sehen werden. Entzaubert hat hier die eine die andere nicht. Die Stichhaltigkeit von Weidels Entwürfen dürfte einen Stresstest eher in einem „TV-Duell“ erfahren, wie es Friedrich Merz in der F.A.Z. vorgeschlagen hat. Da gibt es dann auch weniger „Tonprobleme“.