2025-02-19 09:36:00
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat eine neue Initiative zur militärischen Unterstützung der Ukraine ergriffen. Gemäß einem Vorschlag, welcher der F.A.Z. vorliegt, sollen die Mitgliedstaaten Kiew im laufenden Jahr 1,5 Millionen Schuss großkalibrige Artilleriemunition, weitere Luftverteidigungssysteme, Raketen und Drohnen sowie Unterstützung bei der Ausbildung und Ausrüstung von Heeresbrigaden zukommen lassen. An diesem Mittwoch werden die EU-Botschafter erstmals über den Vorstoß beraten, um eine Sitzung der Außenminister am kommenden Montag vorzubereiten. Erwartet wird, dass sich die Botschafter auch abschließend auf das 16. Sanktionspaket gegen Russland verständigen, das dann von den Minister am dritten Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine in Kraft gesetzt werden könnte.
Kallas setzt auf Freiwilligkeit
Anders als bei früheren Initiativen ihres Vorgängers Josep Borrell setzt Kallas diesmal auf Freiwilligkeit. Die teilnehmenden Staaten sollen sich auf eine Gesamtsumme für die militärische Unterstützung einigen, die entsprechend der Wirtschaftsleistung unter ihnen aufgeteilt wird. Allein 1,5 Millionen Artilleriegranaten würden etwa 7,5 Milliarden Euro kosten. Die Staaten können Kiew entweder Ausrüstung liefern oder Geld in einen Unterstützungsfonds einzuzahlen; möglich ist auch eine Kombination aus beidem. Diese Flexibilität entspricht insbesondere dem Wunsch Deutschlands, das den Vorstoß von Kallas begrüßt. Zudem kann Ungarn die Hilfe nicht, wie in vielen früheren Fällen, aufhalten oder verzögern. Allerdings wird es auch nicht selbst in die Pflicht genommen.
Die EU hat der Ukraine im vorigen Jahr etwa 1,1 Million Schuss des Kalibers 155 Millimeter geliefert. Zuletzt hat sich die Lage der ukrainischen Truppen dadurch deutlich verbessert. An wichtigen Frontabschnitten beträgt die Überlegenheit der russischen Angreifer nur noch 2:1 oder 3:1, während sie vorher um ein Mehrfaches höher war. Die Granaten stammten aus neuer Produktion und aus den Beständen von Drittstaaten, die angekauft wurden. Die EU-Kommission hat sich das Ziel gesetzt, dass die Mitgliedstaaten bis Anfang 2026 etwa 2 Millionen Schuss dieses Kalibers in einem Jahr herstellen können. Allerdings müssen sie damit auch eigene Lücken füllen. Aus informierten Kreisen hieß es daher, dass das von Kallas genannte Ziel von 1,5 Millionen Schuss nur zu erreichen sei, wenn die Staaten global einkaufen würden.
Zustimmung zu 16. Sanktionspaket erwartet
Über das 16. Sanktionspaket gegen Russland hatten die Mitgliedstaaten seit Ende Januar verhandelt. Nach einer vierstündigen Befassung am vorigen Freitag bestand die Erwartung, dass alle Staaten in der heutigen Sitzung zustimmen würden. Auch Ungarn erhob zuletzt keine Einwände mehr. Die Kommission war den Staaten, auch Deutschland, mit mehreren Ausnahmen entgegengekommen.
Im Zentrum des Pakets steht ein Einfuhrverbot für Rohaluminium aus Russland. Dagegen hatten sich die Staaten lange verwahrt, weil Aluminium etwa für Elektroautos verwendet wird und auf dem Weltmarkt knapp war. Allerdings sind die Importe aus Russland in den vergangenen Jahren stark zurück gegangen, von 16 Prozent im Jahr 2000 auf zuletzt nur noch 3 Prozent Marktanteil in der EU. Dieser Anteil kann nach Darstellung der EU-Kommission leicht anderweitig auf dem Weltmarkt ersetzt werden. Vorgesehen ist nun, dass die Staaten im laufenden Jahr maximal 80 Prozent der Vorjahresquote erfüllen, Altverträge bedienen und dann ab 2026 gar kein Aluminium aus Russland mehr beziehen.
Außerdem sollen 74 weitere Schiffe der russischen Schattenflotte, die Ölsanktionen umgehen, auf eine Schwarze Liste gesetzt werden. Gelistet werden können künftig auch solche Schiffe, die eine Gefahr für die Umwelt darstellen. Auch russischen Banken soll die Geschäftstätigkeit erschwert werden. Nachdem die großen Kreditinstitute schon vor langer Zeit vom Zahlungsdienstleister SWIFT ausgeschlossen worden waren, kommen nun 16 kleinere Banken hinzu. Eine Bank wurde auf deutschen Wunsch hin aus dem Vorschlag der Kommission gestrichen, weil sie noch Zahlungsverpflichtungen gegenüber deutschen Kunden begleichen muss.
Auch weitere Unterstützer Russlands im Visier
Erweitert wird auch die Liste mit Unternehmen aus Drittstaaten, die verbotene, militärisch nutzbare Bauteile an Russland liefern. Hier hat die EU-Kommission 50 zusätzliche Firmen vorgeschlagen, von denen die Hälfte aus China und Hongkong stammt. Die hohe Zahl zeigt, dass Peking selbst keinen Druck ausübt und diplomatische Kontakte nutzlos waren. Wie in jedem Sanktionspaket sind zudem weitere Geschäftsverbote für komplette Organisationen sowie Reise- und Vermögenssperren für Einzelpersonen vorgesehen; diese Liste verlängert sich um 83 Einträge. Zwei Personen wurden aufgrund eines slowakischen Vetos aus dem ursprünglichen Vorschlag gestrichen.
Diese Strafmaßnahmen treten in Kraft, sobald sie nach einem Beschluss der Außenminister am Montag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Darüber hinaus will die EU-Kommission auch mit weiteren Zöllen gegen Russland vorgehen. Das betrifft sowohl Stahlerzeugnisse als auch Nahrungsmittel wie Honig, Gemüse und Bier sowie stickstoffhaltige Düngemittel. Diese handelspolitischen Maßnahmen werden aber mehr Zeit in Anspruch nehmen.