2024-12-30 17:08:00
Selten tauchten in den Wirtschaftsprognosen für ein neues Jahr so viele Formulierungen auf, die nichts anderes besagen, als dass man es halt nicht so genau weiß. Das gilt auch für die Inflation. Die Bundesbank erwartet für Deutschland im Jahr 2025 eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,4 Prozent, nach 2,5 Prozent im zu Ende gehenden Jahr. Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet für den Euroraum insgesamt im neuen Jahr mit durchschnittlich 2,1 Prozent. Aber beide Institutionen warnen zugleich vor „Risiken“, dass es auch ganz anders kommen könnte.
„Die große Welle der Inflation ist vorbei“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel im Interview mit der F.A.Z. Die Inflationsraten sind nach einem starken Rückgang seit Herbst 2022 nun in den Monaten seit September dieses Jahres zwar wieder etwas gestiegen. Das hing allerdings vor allem damit zusammen, dass die entlastende Wirkung der Energiepreise nachlässt. Für Aufmerksamkeit sorgte der Anstieg der Preise einzelner Produkte, beispielsweise für Butter um fast 40 Prozent. Es sind aber vor allem die politischen Risiken, die es diesmal besonders schwer machen, die weitere Entwicklung der Inflation vorherzusagen.
Sorgt Trump unbeabsichtigt für mehr Inflation?
Immerhin spricht die schwache Wirtschaftslage in Deutschland sehr dafür, dass es Unternehmen im Inland nicht ganz leicht fallen dürfte, die Preise für ihre Produkte anzuheben. Allerdings weiß man natürlich nicht, welche Effekte die Wahl einer neuen Bundesregierung haben könnte. Insbesondere aber sind es die Vereinigten Staaten und die neue US-Politik unter Donald Trump, die für Unwägbarkeiten sorgen. Einerseits könnte es passieren, dass neue amerikanische Zölle gegen Waren aus Europa die Konjunktur hierzulande belasten und Wachstum und Inflation noch niedriger ausfallen lassen. Andererseits könnten europäische Gegenmaßnahmen mit Zöllen auf nach Europa eingeführte Waren auch preistreibend wirken – ebenso wie eine stimulierte amerikanische Wirtschaft, eine höhere US-Inflation und ein stärkerer Dollar.
Die meisten Ökonomen, mit denen man redet, halten die Wahrscheinlichkeit für eine im neuen Jahr aus Amerika importierte Inflation für nicht besonders hoch. Aber ausschließen will das auch kaum jemand. Wenn, so ist eine verbreitete Meinung, dann würde sich das hierzulande aber eher in der zweiten Jahreshälfte bemerkbar machen, weil Trump ja erst im Januar sein Amt überhaupt offiziell antritt und solche Effekte einige Zeit brauchen. Das sind zumindest Risiken, die eine Inflationsprognose erschweren. Die Bundesbank jedenfalls resümiert: „In der Gesamtschau überwiegen gegenwärtig für das Wirtschaftswachstum die Abwärtsrisiken – und für die Inflation die Aufwärtsrisiken.“
Zahlreiche Ökonomen haben sich seit einem Vorstoß des britischen Wirtschaftswissenschaftlers Charles Goodhart zudem mit der Frage beschäftigt, ob wir womöglich makroökonomisch ganz grundsätzlich in ein Regime mit höheren Inflationsraten gegenüber der Vor-Corona-Zeit wechseln. Da gibt es gute Gründe dafür und dagegen, die Auswirkungen dürften aber ohnehin eher längerfristig, nicht jetzt unmittelbar zu beobachten sein. Holger Schmieding beispielsweise, der Chefökonom des Bankhauses Berenberg, rechnet aus solchen Gründen wie dem „strukturellen Mangel an Arbeitskräften“ erst für das Jahr 2026 mit einem Anziehen der Kernrate der Inflation, also der Teuerung ohne stark schwankende Preise für Energie und Lebensmittel.
Ob die Klimarisiken und die Antworten darauf, also die Klimapolitik, für tendenziell höhere Inflationsraten sorgen, ist Gegenstand einer intensiven ökonomischen Debatte. Ganz konkret spüren Verbraucher, dass Benzin teurer wird, wenn der CO2-Preis steigt. Allerdings war der Effekt in den zurückliegenden Jahren oft geringer als die Rohöl-Preisschwankungen. Rechnet man die Kosten durch Gebühren und Abgaben für Kraftstoff und Strom in Deutschland zusammen, kommt ein erhebliches Päckchen zusammen. Auf die Inflationsrate wirkt das aber nur in dem Moment, in dem die Kosten steigen. Eine These, die etwa EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel vertreten hat, ist, dass die Klimapolitik in der Übergangszeit der Transformation für höhere Inflationsraten sorgt – langfristig aber nicht. Immerhin verkündete die EZB auf ihrer Dezember-Zinssitzung, sie rechne für 2027 mit einem leichten Anstieg der Inflationsrate wegen des erweiterten EU-Emissionshandels.
Die Commerzbank unterscheidet in ihrer Prognose ebenfalls zwischen kurzer und längerer Frist. „Im Dezember dürfte die Inflationsrate in Deutschland abermals merklich zulegen – auf deutlich mehr als zweieinhalb Prozent“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Dafür spreche vor allem, dass die Energiepreise im Dezember 2023 stark gefallen seien und sich somit im Vorjahresvergleich ein starker Anstieg ergebe. Im Januar schwäche sich dieser sogenannte statistische Basiseffekt ab, das werde vermutlich den Anstieg der Versicherungspreise überkompensieren. „Alles in allem dürfte die Inflation im Januar leicht sinken“, sagt Krämer. „Bis zur Jahresmitte sollte sie weiter in Richtung zwei Prozent zurückgehen, vor allem wegen der schwachen Konjunktur, die die Preissetzungsmacht der Unternehmen dämpft.“ Dennoch sei das Inflationsproblem auf längere Sicht nicht gelöst, sagt Krämer und erwähnt De-Globalisierung, Demographie und De-Karbonisierung.
Inflationsschutz in unsicheren Zeiten
Was können nun Anleger tun, die ihr Geld vor der Inflation schützen wollen? Zunächst mal ist Panik sicher nicht angebracht, die Wahrscheinlichkeit eines starken Anstiegs der Inflation im neuen Jahr ist Stand heute wohl nicht besonders hoch. Was nicht heißen soll, dass die in der zurückliegenden Inflationsphase gestiegenen Preise die Menschen nicht weiterhin belasten. In Umfragen über die Sorgen fürs neue Jahr werden die Lebenshaltungskosten jedenfalls von vielen Befragten an prominenter Stelle genannt.
„Aktien oder Unternehmensbeteiligungen sind meines Erachtens der sicherste und der rentabelste Weg, sich langfristig gegen Inflation abzusichern“, sagt Michael Heise, der Chefökonom der Vermögensverwaltung HQ Trust: „Es handelt sich um Sachwerte, die mit der Inflation steigen.“ Klar sei aber auch, dass die Absicherung gegenüber Inflation nicht etwa Jahr für Jahr gegeben sei. Kurzfristig könne ein Inflationsanstieg auch negative Entwicklungen an den Aktienmärkten auslösen, insbesondere, wenn die Inflation auf zunehmende Produktionskosten und nicht etwa auf steigende Nachfrage zurückzuführen sei.
„Sollte es in 2025 aufgrund von geopolitischen Konflikten zu starken Erhöhungen der Rohstoffpreise kommen, was derzeit nicht absehbar, aber natürlich auch nicht ausgeschlossen ist, wäre das angesichts der zunehmenden Kostenbelastung für die Unternehmen und vermutlich ausbleibender Zinssenkungen auch ein Risiko für die Aktienmärkte“, sagt Heise: „Auch kräftige Lohnkostensteigerungen stellen kurzfristig ein Risiko dar.“
Investitionen in Gold seien ebenfalls als Langfristabsicherung gegen Inflation in Betracht zu ziehen, meint Heise. Gold könne den Anleger als „Krisenwährung“ zudem gegenüber den wirtschaftlichen Folgen der großen politischen Konflikte schützen. Allerdings sei die Prognose von Goldpreisen weitaus schwieriger und unsicherer als die Einschätzung der Aktienkurse, die letztendlich von der Gewinnentwicklung der Unternehmen und damit den wirtschaftlichen Trends bestimmt seien: „Goldquoten liegen daher in diversifizierten Portfolios zu Recht eher im einstelligen Prozentbereich“, sagt Heise.
In der zurückliegenden Inflationswelle jedenfalls war der Goldpreis nicht parallel zur Geldentwertung gestiegen. Erst mit den Zinssenkungen der Notenbanken eilte er im zu Ende gehenden Jahr von Rekord zu Rekord wie selten in der Geschichte. Für das neue Jahr erwartet zumindest der Edelmetallkonzern Heraeus neue Goldrekorde von bis zu 2950 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Die Heraeus-Goldfachleute nennen ausdrücklich auch Donald Trump und eine mögliche von ihm verursachte Inflation als Gründe für den prognostizierten Goldpreisanstieg.
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