2024-12-26 17:48:00
Ein Schiff der russischen „Schattenflotte“ wird verdächtigt, ein Elektrokabel zwischen Estland und Finnland zerstört zu haben. Das gaben Vertreter finnischer Behörden am Donnerstag bekannt. Aufzeichnungen des Schiffskurses zeigen, dass der Rohöltanker Eagle S am 25. Dezember just zu dem Zeitpunkt über das Datenkabel Estlink 2 fuhr, als daran Störungen auftraten. Zudem verlangsamte das Schiff, das unter der Flagge der Cookinseln fährt, dabei offenbar seine Fahrt.
Nach Angaben der Polizei wurde der Tanker wegen des Verdachts der Beschädigung des Kabels von Polizei und Grenzschutz angehalten. Am Donnerstag ankerte er vor der Küste Finnlands bei Porkkala. In seiner unmittelbaren Nähe befand sich mit der Turva ein Schiff des finnischen Grenzschutzes.
Finnlands Behörden vermuten, dass der Schaden durch den Anker des Tankers entstand. Mutmaßlich liegt dieser am Meeresgrund. Der Grenzschutz hat die Besatzung aufgefordert, den Anker zu heben, doch tauchte nur die Kette auf. Neben dem Stromkabel sind nach Angaben finnischer Behörden vier Datenkabel
beschädigt, unter anderem das Kabel Cinia, das von Helsinki nach Deutschland verläuft. Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo sagte am Donnerstag, er habe mit den Nachbarländern, der EU und der NATO wegen des Vorfalls Kontakt aufgenommen. Es brauche mehr Möglichkeiten, Russlands Schattenflotte zu stoppen. Diese sei eine große Gefahr für die Ostsee.
Stromversorgung nicht beeinträchtigt
Die Eagle S war auf dem Weg von Sankt Petersburg ins ägyptische Port Said. Das Schiff soll rund 20 Jahre alt, in schlechtem Zustand und Teil der sogenannten Schattenflotte Russlands sein. Russland hat laut Fachleuten mehr als 1400 große Tanker im Einsatz, mit denen es den Ölpreisdeckel umgeht. Meist fahren die Tanker unter der Flagge kleiner Staaten, sind alt und schlecht oder gar nicht versichert. In den westlichen Ostseeanrainerstaaten ist deswegen die Sorge vor einer Umweltkatastrophe groß.
Der EU zufolge steht der Frachter in Verbindung zu Russland. „Das verdächtige Schiff ist Teil der russischen Schattenflotte, die die Sicherheit und die Umwelt bedroht und gleichzeitig den russischen Kriegshaushalt finanziert“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der EU-Kommission und der Außenbeauftragten Kaja Kallas.
Der Netzbetreiber Fingrid hatte laut der finnischen Polizei die Behörden über eine mögliche Beschädigung der Kabels informiert. Dieses verläuft auf 170 Kilometern zwischen Estland und Finnland; es hat eine Kapazität von 650 Megawatt. Fingrid zufolge wurde die Stromversorgung Finnlands durch den Vorfall nicht beeinträchtigt. Estlink 2 war 2024 wegen Wartungsarbeiten überwiegend nicht in Betrieb.
Zuletzt kam es wiederholt zu Beschädigungen an Unterwasserkabeln in der Ostsee. Dabei konnte der Verursacher nicht immer eindeutig festgestellt werden. Stets standen die der Urheberschaft verdächtigten Schiffe jedoch mit Russland in Verbindung. In der Region werden die Schäden als Teil einer hybriden Kriegsführung Russlands angesehen. Mitte November wurden zwei Datenkabel beschädigt, im Verdacht steht ein chinesischer Frachter, der auf dem Weg von Russland nach Ägypten war. Ein Jahr zuvor wurden ein Datenkabel und eine Gaspipeline beschädigt, mutmaßlich von einem chinesischen Frachter, der auf dem Weg von Kaliningrad nach Sankt Petersburg war. Im letzteren Fall wurde in der Nähe der beschädigten Pipeline der Anker des Schiffes gefunden, den dieses über den Grund gezogen hatte.
Allerdings konnten die Ermittlungsbehörden bisher in keinem der Fälle Erfolge vorweisen. Das Seerecht macht es Staaten fast unmöglich, gegen Beschädigungen von Unterseekabeln vorzugehen, es sei denn, der Schaden wird unmittelbar im Küstengewässer verursacht. Das war auch nun nicht der Fall. Vorgehen gegen eine Beschädigung der Infrastruktur muss dem Seerecht zufolge der Flaggenstaat selbst. Insofern ist das robuste Eingreifen der finnischen Behörden mit dem Stoppen des Schiffes durch den Grenzschutz rechtlich fragwürdig. In Finnland gibt es jedoch schon länger Rufe nach einer angepassten Interpretation internationaler Seerechtsnormen, um gegen die russische hybrider Bedrohung anzukommen.
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