2024-09-25 19:27:20
Das Wort Eigenständigkeit kam in Bettina Orlopps Reaktion auf ihre Bestellung als Vorstandsvorsitzende nicht vor: „Ich freue mich auf diese herausfordernde Aufgabe, die ich mit Respekt, aber auch mit großem Selbstvertrauen antrete“, hatte Orlopp am Dienstagabend gesagt. Inzwischen ist auch beschlossen, dass sie den Posten schon am 1. Oktober übernimmt und Manfred Knof die Commerzbank Ende September verlässt.
Auf der zweitägigen Strategiesitzung in dieser Woche dürfte die Eigenständigkeit der Commerzbank ein zentrales Thema gewesen sein. Liegen die entsprechenden Genehmigungen vor, wird die Unicredit schon bald 21 Prozent an der Commerzbank halten und damit zum Großaktionär aufsteigen. Der Bund hält dann nur noch 12 Prozent. Die Bundesregierung hat die italienische Unicredit vor einer feindlichen Übernahme der Commerzbank gewarnt. Damit würde ein großes Risiko einhergehen, sagte Finanz-Staatssekretär Florian Toncar in Berlin. „Das sollte nicht das Ziel sein.“ Das Vorgehen der Mailänder habe viel Verunsicherung bei Beschäftigten und in der Politik geschürt.
In der Politik wird derzeit vieles dafür getan, gegen Unicredit zu trommeln – mit einer etwas unklaren Motivlage. „Die Bundesregierung wolle nicht auf Dauer an der Commerzbank beteiligt sein“, sagte Finanzminister Christian Lindner am Mittwoch im Bundestag. Ziel sei die Privatisierung. Vorerst werde dies aber nicht weiter vorangetrieben. „Gegenwärtig steht kein weiterer Schritt an.“ Die Deutsche Bank hat ihre Aussage unterdessen erneuert, nicht an der Commerzbank interessiert zu sein. „Ich denke, dass wir noch einiges zu tun haben, bevor wir wirklich in der Lage sind, an der Konsolidierung teilzunehmen”, sagte Finanzchef James von Moltke bei einer Veranstaltung.
Zusammenarbeit mit Unicredit muss nicht schaden
Erreicht Unicredit die 30-Prozentschwelle werden die Italiener ein Übernahmeangebot abgeben müssen, das sich dann an alle Aktionäre richten wird. Die haben dann die Wahl, was mit der Commerzbank geschehen soll. In Frankfurter Finanzkreisen ist man über das bisherige Vorgehen der Commerzbank einigermaßen überrascht. Tatsächlich wirkte die gelbe Bank sowohl beim Anteilskauf des Bundes als auch bei der signifikanten Aufstockung auf nun 21 Prozent geradezu überrumpelt. „Wenn die Commerzbank eigenständig sein will, dann muss sie einen Plan haben. Was ist das Konzept, was sind die relevanten Märkte und Kundenkreise. Sich hinzustellen und um Ruhe und Schützenhilfe des Bundes zu hoffen, ist kein Konzept“, sagte ein Banker.
„Eine Zusammenarbeit mit der Unicredit – in welcher Form auch immer – muss nicht zum Schaden der Commerzbank sein. Deshalb erwarten wir die Bereitschaft zum ergebnisoffenen Dialog“, sagte Alexandra Annecke, Fondsmanagerin der Union Investment zur aktuellen Lage.
„Wir brauchen erstmal Ruhe“
„Wir brauchen erstmal Ruhe“, hatte Orlopp vor einer Woche gesagt. Die 54-Jährige gilt bei der Commerzbank als Glücksgriff. Schon 2020 war sie eine Anwärterin auf den Top-Job als der glücklose Martin Zielke seinen Posten zur Verfügung stellte. Viele hatten schon damals mit ihrer Berufung gerechnet und innerhalb der Bank wurde die Luft angehalten als die Bestellung von Manfred Knof als Vorstandsvorsitzender bekannt gegeben wurde. Knof kam von der Deutschen Bank und hatte sich als Sanierer durchaus einen Namen gemacht.
Sie sei sehr treu, sagte Orlopp später immer wieder, wenn sie auf ihre Zukunft bei der Commerzbank angesprochen wurde. Orlopp startete ihre berufliche Karriere 1995 als Beraterin bei der Unternehmensberatung McKinsey. In dieser Zeit promoviert sie auch, 2002 wird sie Partnerin und bleibt weitere zwölf Jahre bei den von Männern dominierten „Meckies“. Aus diesen Zeiten kennt sie auch Martin Blessing, der sie als späterer Commerzbank-Chef 2014 anwirbt. Sie wird Bereichsvorständin „Development und Strategy“. Eineinhalb Jahre ist sie als Generalbevollmächtigte für die Bereiche Compliance, Human Resources und Legal verantwortlich. 2017 wird sie Vorstand, 2020 übernimmt sie das Finanzen-Ressort.
Wer mit Orlopp zu tun hat, erlebt sie als freundlich und extrem sachorientiert. Kollegen beschreiben sie als fleißig, akribisch und immer gut vorbereitet. In der Belegschaft genießt sie einen guten Ruf, aber gerade in den ersten Jahren bei der Bank wird ihr auch eine gewisse Kühle und Distanz nachgesagt. Daran hat sie offenbar gearbeitet, sie beweist Netzwerk-Qualitäten – gerade innerhalb der Bank. „Wir sind sehr zufrieden mit der Bestellung von Bettina Orlopp und Michael Kotzbauer als Stellvertreter“, sagt Stefan Wittmann, der für die Gewerkschaft Verdi im Commerzbank-Aufsichtsrat sitzt. Kotzbauer leitet das Firmenkundengeschäft. Wittmann ist entschieden gegen die Übernahme durch die Unicredit und setzt sich für Eigenständigkeit der Commerzbank ein.
Die Commerzbank hatte im Jahr 2023 das beste Ergebnis ihrer Unternehmensgeschichte erzielt. Die Bank verdiente im Jahr 2023 rund 2,2 Milliarden Euro nach Steuern. Das war ein Plus von rund 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Als Baustelle wird vor allem das Privatkundengeschäft betrachtet. Frühere Vorstände hatten entgegen jeder wirtschaftlicher Logik sehr lange am Filialgeschäft festgehalten. Die Zinswende hatte die Sanierung der Commerzbank erleichtert, mit den fallenden Zinsen dürfte sich der Druck wieder erhöhen.
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