2025-01-06 16:06:00
Mit dem jüngsten Hausbesuch der Sternsinger ist eine schwierige Zeit zu Ende gegangen, die jedes Jahr aufs Neue am 31. Oktober mit dem scheinbar harmlosen Klingeln von Kindern an den Türen und der Drohung „Süßes oder Saures!“ beginnt und deren Signum das jähe Eindringen von Fremden in unser Innerstes ist. Ganz anders der Sommer: Er zeichnet sich durch den zwanglosen Übergang von Außen und Innen aus. Man hält sich viel im Garten auf, die Tage sind lang und hell – ungebetene Überraschungsgäste können auf diese Weise früh geortet und an der Grundstücksschwelle abgefertigt werden.
Allerspätestens an Halloween ist damit Schluss, wobei man sich auf diesen speziellen Horrortag immerhin noch vorbereiten kann, zumal die Ankunft der Nachbarskinder (zwischen 17 und 20 Uhr) besser eingrenzbar ist als die eines beliebigen Handwerkers („zwischen acht und 20 Uhr“). Man kann zum Beispiel ein paar Süßigkeiten im Eingangsbereich bereitlegen, aber der Blick der anderen ins Hausinnere ist doch kaum vermeidbar, auch die Wahrnehmung des spezifischen Hausgeruchs im Kontrast zur frischen Luft draußen.
Wenn dieser Geruch leicht abgestanden ist, sollte man mit Blick auf das eigene Standing in der Nachbarschaft Sorge dafür tragen, dass der so erzeugte negative Eindruck nicht noch dadurch gestützt wird, dass das Ablaufdatum der Süßigkeiten schon überschritten ist.
Mindestens eine Hanfplantage im Keller
Das noch größere Problem sind freilich die Sternsinger. Unter dem Vorwand, dass Christus dieses Haus segnen möge, kommen sie zu einer Jahreszeit, in der man gerne noch ungeduscht und im Bademantel die Qualifikation zum letzten Springen der Vierschanzentournee anschaut. Allerdings sind sie erfahrungsgemäß mit Geld leicht zufriedenzustellen und überhaupt harmlos im Vergleich zu den Gefährlichsten, den Zählerablesern. Die kommen gerne „zwischen den Jahren“, in einer Zeit also, in der nichts mehr und noch nichts ist, banaler ausgedrückt: in der die leeren Bierkästen im Keller, wo sie niemand zu Gesicht bekommen sollte, den Zugang zum Zählerkasten versperren.
Wer je einen Zähler abgelesen hat, der braucht keine soziologische Feldforschung mehr. Der weiß, dass nichts ist, wie es scheint. Und selbst wenn es so zu sein scheint, wie es scheint, dann reicht der Stromverbrauch als Hinweis darauf, dass auch in dieser Wohnung ein Abgrund lauert, mindestens aber eine Hanfplantage im Keller, die beleuchtet werden muss. Heute werden kaum noch Zähler von Hausfremden abgelesen, das geht online oder gleich automatisch.
Auch Sternsinger gibt es immer weniger. Daher lassen sich die Leute in ihren Häusern noch mehr gehen als früher, auch zum Schaden der deutschen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund dürfte es kaum ein Zufall sein, dass die Bundestagswahl in den Winter vorgezogen wurde und die Parteien angekündigt haben, auf Haustür- und Küchenwahlkampf zu setzen.
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