2025-02-14 22:24:00
Seit elf Jahren verzögert sich der Wiederaufbau der Bundeswehr. Eine künftige Bundesregierung muss das rasch ändern. Zwei Kanzler und vier Verteidigungsminister hatten seit dem russischen Überfall auf die Krim im Sommer 2014 die Trümmer einer realitätsblinden Russlandpolitik von Union und SPD zu beseitigen. Doch CDU-Kanzlerin Angela Merkel weigerte sich bis zum Ende ihrer Amtszeit, Heer, Marine und Luftwaffe wieder für die Landes- und Bündnisverteidigung zu ertüchtigen. Stattdessen ließ sie zu, dass sich die Rest-Streitkräfte noch jahrelang in Afghanistan und Mali bei längst vergeblichen Auslandseinsätzen verschlissen.
Merkel übergab 2021 nach sechzehn Jahren ihr Amt und eine weitgehend wehrlose Republik an Bundeskanzler Olaf Scholz. Der tatsächliche Verteidigungsetat betrug damals kaum die Hälfte dessen, was sie und Außenminister Frank-Walter Steinmeier ihren Bündnispartnern in der NATO fest versprochen hatten. Als Wladimir Putin wenige Wochen später die Ukraine überfiel, war die Bundeswehr noch immer blank.
Luftwaffe war vor allem mit Oldtimern unterwegs
Was das bedeutet? Es gab kein Heer mehr, das mit Panzern und Artillerie ein weiteres russisches Vorgehen hätte stoppen können. Keine Flugabwehr, die deutsche Städte vor dem Schicksal Charkiws oder Mariupols bewahren würde. Es gab nur wenige einsatzbereite U-Boote oder Kriegsschiffe, die etwa einer Blockade zur See hätten widerstehen können. Und die Luftwaffe war vor allem mit Oldtimern unterwegs. Die Munition der Streitkräfte reichte für ein paar Stunden, bestenfalls Tage. Hätten die Ukrainer im Winter und Frühling 2022 nicht mit dem Mut der Verzweiflung und dem Einfallsreichtum der Todgeweihten für ihre und Europas Freiheit gekämpft, stünde Putin der Weg längst frei nach Riga oder Warschau und, was Moskaus Extremisten fordern: auch nach Berlin.
Wie der Rest Europas stand Deutschland im Februar 2022 unter Schock. Scholz sprach von einer Zeitenwende und versprach, nun werde alles anders: Hundert Milliarden Sofortbudget, von nun an zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für moderne Streitkräfte. Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind, das sei, so Scholz damals, „ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer Bedeutung in Europa“.
Das sollte man meinen. Umgehend bestellte die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht den Soldaten zunächst Regenjacken, Rucksäcke und feste Schuhe. Waffen sollten bald folgen. Doch wenige Wochen später war der Elan erlahmt. Am Ende des ersten Zeitenwende-Jahres hatte sie vom 100-Milliarden-Sofortbudget nichts ausgegeben. 2023 gab es zwar einen neuen Minister, aber keine einsatzbereite Bundeswehr. Im Gegenteil: Tausende Fahrzeuge, darunter moderne Kampfpanzer und Artillerie, sowie ein größerer Teil der verbliebenen Flugabwehr gingen an die Ukraine. Damit stärkte man diejenigen, die für das freie Europa die Köpfe hinhielten. Immerhin. Doch wurde zunächst versäumt, Munition und neue Ausrüstung zu bestellen. In der SPD-Fraktion verhinderte Rolf Mützenich bis zum letzten Tag im Amt die Anschaffung bewaffneter Drohnen, die zu Zehntausenden das Kriegsgeschehen im Osten prägen. Eine kampfstarke Panzerdivision, die Scholz der NATO im Sommer 2022 versprochen hatte, existiert nur als Provisorium. Andere Verbände wurden weiter reduziert. Was bleibt, ist die Arbeit des engagierten Verteidigungsministers Boris Pistorius. Der wollte zupacken, hat vieles angefangen. Doch seit der unbeliebte Scholz den populären SPD-Mann als Konkurrenten wahrnahm, war ihm die eigene Haut zu retten wichtiger als die Landesverteidigung. Scholz behinderte Pistorius zuletzt, wo er nur konnte. Beim Budget, bei der Personalstärkung, selbst bei der Ukrainehilfe. Und so ist die Bundeswehr nach elf Jahren Ukrainekrieg, nach drei Jahren russischer Vollinvasion schwächer als davor.
Die Bedrohung ist nicht kleiner geworden
Das ist die Lage, die eine neue Bundesregierung vorfinden wird: ein Heer ohne Digitalisierung, Munition und Flugabwehr, eine Marine im Umbau und eine Luftwaffe, die mit ihrer superteuren Bestellung von F-35-Kampfjets von den Launen Washingtons abhängt. Dazu ein Etat, der nach dem Ende des Sonderetats in Kürze vor einer Finanzlücke von vierzig Milliarden Euro steht. Pro Jahr. Wenn das 2-Prozent-Ziel angehoben wird, womit alle Experten rechnen, wird es noch viel mehr. Denn die Bedrohung ist, anders als die deutsche Armee, nicht kleiner geworden.
Für die Zukunft des Landes könnte es daher entscheidend sein, mit welchem Engagement sich künftige Regierungsparteien und ein künftiger Kanzler darum bemühen, die schweren Fehler der Vergangenheit endlich umfassend zu korrigieren. Dabei steht die Aufgabe in einfachen Worten im Grundgesetz: Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Höchste Zeit, es zu tun.