2024-12-30 23:59:00
Inzwischen haben sie sogar eigene Warnschilder in Spanien. „Achtung, Luchse queren“, heißt es darauf, wie bisher beim Wildwechsel. In Andalusien beginnt man, ein neues Warnsystem mit Wärmekameras und Radarsensoren zu installieren. Es aktiviert Leuchtzeichen, die zum Bremsen auffordern, wenn die kleinen Raubkatzen in der Nähe sind. Mehr als 40 Luchse kamen im vergangenen Jahr bei Straßenunfällen ums Leben. Das Auto ist ihr großer neuer Feind, aber er kann ihrer Population nicht mehr wirklich gefährlich werden. Dass die tödlichen Unfälle zunehmen, hat eher damit zu tun, dass wieder mehr Luchse durch die Wälder und Buschlandschaften streifen und sich ihre alten Siedlungsgebiete zurückholen.
In Spanien und Portugal leben so viele Iberische Luchse wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr: Mehr als 2000 Exemplare der sogenannten Pardelluchse wurden in freier Wildbahn gezählt. Dazu kommen wohl gut 1000 mehr, die dieser Zensus nicht erfasste. Vor wenigen Jahren kämpften sie noch um ihr Überleben. Seit diesem Jahr steht der Iberische Luchs nun nicht mehr auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Er ist nur noch als gefährdet eingestuft. Mehr als zwei Jahrzehnte hat die Rettungsaktion gedauert, die buchstäblich in letzter Minute begann. Kurz nach der Jahrtausendwende gab es nur noch weniger als hundert Luchse im Süden Andalusiens.
Die Erfolgsgeschichte begann hinter den Atlantikdünen im Nationalpark von Doñana. Dort lebte eine der beiden letzten Populationen der Wildkatzen mit dem langen Bart, den Haarbüscheln an den Ohrspitzen und dem auffällig gepunkteten Fell. Die Iberischen Luchse sind deutlich kleiner als die Eurasischen Luchse, die es zum Beispiel in Deutschland gibt.
Aura gab ihre Gene an mehr als 900 Luchse weiter
In der Aufzuchtstation von El Acebuche im Nationalpark von Doñana gehörte Dama zur Gründergeneration. Mittlerweile ist die 18 Jahre alte Luchsdame dort in einem großen Gehege im Ruhestand. Sie ist die erste weibliche Katze des Zuchtprogramms, die in Gefangenschaft Nachwuchs bekam: In vier Würfen waren es zehn Welpen.
Sie lebt mit dem Männchen Feli zusammen. Er ist zwei Jahre jünger als sie und an diesem Vormittag aktiv, während Dama schläft. Die beiden waren nie ein Paar und gehen sich in ihrer WG lieber aus dem Weg. „Wir versuchen, ihnen einen Ruhestand unter optimalen Bedingungen zu bieten. Luchse sind Einzelgänger, aber es ist besser, dass sie im Alter nicht allein sind“, sagt Jesús Palma vom „Observatorio del lince ibérico“ in El Acebuche.
Im Doñana-Nationalpark bietet sich Besuchern die seltene Chance, die Tiere zu Gesicht zu bekommen. Der Beobachtungsplatz liegt erhöht in einem hölzernen Bau und hinter Glas, sodass die Besucher die Tiere nicht stören. Vor zwei Jahren machte dort eine andere Pensionärin Schlagzeilen. Im Alter von 20 Jahren und sechs Monaten verendete Aura – das bisher am längsten lebende Exemplar des Iberischen Luchses, das bekannt ist. Sie gab ihre Gene an mehr als fünf Generationen weiter – insgesamt an mehr als 900 Exemplare. In Spanien ist man so stolz auf das Programm, dass der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vor sechs Jahren zu einem Besuch in die Aufzuchtstation eingeladen hatte.
Mindestens 1500 Weibchen sind für das Überleben der Art nötig
Die Luchse im Nationalpark von Doñana sind die prominentesten auf der Iberischen Halbinsel, aber längst nicht die zahlreichsten. Noch mehr von ihnen leben in den einsamen Bergen der Sierra Morena in der Nähe von Jaén und Andújar. Sie haben sich aber auch im Süden von Kastilien-La Mancha, der Extremadura, in der Gegend von Murcia ausgebreitet; im benachbarten Portugal vor allem in der Alentejo-Region, im Hinterland der Algarve sowie entlang des Guadiana-Flusses.
„Es ist wichtig, dass sie sich jetzt ausbreiten und die verschiedenen Populationen sich untereinander kreuzen“, sagt Jesús Palma. Denn trotz des Erfolgs könne man die Luchse noch nicht sich selbst überlassen. Mindestens 1500 Weibchen sind für das Überleben der Art nötig. Das sind gut dreimal so viele wie jetzt. Die große Aufgabe besteht nun darin, für mehr genetische Vielfalt zu sorgen, damit sie weniger anfällig sind für Erbkrankheiten und widerstandsfähiger werden.
Noch ist es daher zu früh, die Entwicklungshilfe für die Luchse einzustellen. Besonders wenn sie klein sind, sind sie stark gefährdet. In diesem Jahr kamen 14 Luchswelpen zur Welt, zwölf davon überlebten. Im zweiten Zentrum bei Cáceres in der Extremadura waren es fünf. Es geht dabei nicht nur um Kinderkrankheiten. „Vom zweiten Monat an wird es kritisch, wenn die Männchen beginnen, miteinander zu kämpfen“, sagt Jesús Palma. Das kann mit schweren Verletzungen oder sogar tödlich enden.
„Je mehr Kaninchen, desto mehr Luchse“
Schon früh beginnt dann auch die Ausbildung der Tiere. „Luchse sind Kaninchenexperten und haben ihre Jagd perfektioniert. Das lernen sie von ihren Müttern von klein auf“, sagt Jesús Palma. Normalerweise verzehren sie ein Wildkaninchen am Tag. Zu mehr als 90 Prozent ist das ihre wichtigste Nahrungsquelle. Größere Beute ist ihnen zu anstrengend. Stundenlang lauern sie daher manchmal, perfekt getarnt durch ihr Fell im Dickicht, bevor sie zuschlagen.
Doch bis heute gibt es in Spanien zu wenige Wildkaninchen. Auch Füchse jagen sie – und die Kaiseradler, die über dem Nationalpark kreisen. Luchsen wie Hasen machte die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen das Leben schwer. Die natürlichen Lebensräume der Tiere schrumpften zusehends. Den Beutetieren setzten zudem auch Krankheiten wie die Kaninchenpest und die Chinaseuche (Rabbit Haemorrhagic Disease, RHD) schwer zu. In Spanien und Portugal gingen ihre Populationen in der Folge dramatisch zurück. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) setzte die Wildkaninchen daher als „stark gefährdet“ auf ihre Rote Liste. „Je mehr Kaninchen, desto mehr Luchse“, bringt es Jesús Palma vom Observatorio in El Acebuche auf den Punkt. Es sind nicht nur die Luchse, auf die man ein Auge haben muss.
#lynx #ibérique #est #retour
1735601641