2024-05-26 21:09:52
Zur frühen Mittagszeit rollten auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC die Tränen. Wie immer gedachten die Anwesenden den jüngst verstorbenen Mitgliedern. Dieses Mal war einer darunter, den alle kannten und der schmerzlich vermisst wird.
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Die Rede ist vom im Januar überraschend verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein, einst glühender Anhänger und ab Juni 2022 Hoffnungsträger des nach Jahren der Misswirtschaft geplagten Vereins. Bernstein hatte Hertha durch schwierige Zeiten navigiert und so viel lässt sich im Mai 2024 sagen: schwierig ist es noch immer.
Mit dem Wiederaufstieg hatte Hertha nichts zu tun, unter sportlichen Gesichtspunkten war es ein Jahr der Konsolidierung. Dass es am Ende nur zu Platz neun langte, war auch wirtschaftlichen Zwän-gen geschuldet. Die Lizenz hatte die hoch verschuldete Hertha nur unter Auflagen bekommen. Daran wird sich Recht sicher auch zur kommenden Saison nichts ändern.
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Dubiose Geschäftsgebaren
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Trotz geringer Ausgaben und einem Kader, der größtenteils aus ablösefreien Spielern und Nachwuchskickern zusammengestellt wurde, häufte der Zweitligist ein Defizit im niedrigen zweistelligen Millionenbereich an. Ausgleichen kann Hertha die Schulden aus eigener Kraft in absehbarer Zeit nicht. Dafür bedarf es der Unterstützung des Investors „777 Partners“, der zuletzt mit negativen Schlagzeilen aufwartete.
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In den vergangenen Monaten hatte es Berichte über dubiose Geschäftsgebaren des amerikanischen Investmentunternehmens gegeben, das bei Hertha BSC 78,8 Prozent an der Kommanditgesellschaft auf Aktien hält. Es ging um nicht eingehaltene Zahlungsfristen, versäumte Leasingzahlungen und die Klage eines Londoner Vermögensverwalters, der 777 unter anderem vorwirft, nicht existierende Vermögenswerte verpfändet zu haben.
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All das bestätigt die Vorbehalte, die viele Mitglieder von Beginn an gegenüber „777“ hatten. Die Sorge, ihr Klub könnte am Tropf in die vollständige Abhängigkeit abdriften, trieb etliche Mitglieder am Sonntag um. Bernstein hatte den Schulterschluss mit dem Investor, der Anteile an sieben Klubs auf unterschiedlichen Kontinenten hält, als alternativlos verteidigt und tatsächlich sind die gemachten Erfahrungen der Berliner mit „777“ bisher besser als die anderer Klubs aus dem Portfolio des Unternehmens. Anfang April überwies „777“ eine für Ende Mai vereinbarte Tranche über 22 Millionen Euro, die für die Planung der kommenden Saison dringend benötigt wird. Hertha bedankte sich per Pressemitteilung. Darin hieß es: „Die 777 Football Group hat sämtliche vertragliche Verpflichtungen gegenüber uns nicht nur erfüllt, sondern sogar vereinbarte Zahlungen frühzeitig geleistet hat. Damit hat die Group wesentlich zum wirtschaftlichen Sanierungskurs von Hertha BSC beigetragen.“
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Lauter Applaus für Dardai
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Der ideelle Preis, den der Verein dafür zahlen muss, ist Gegenstand von Spekulationen. Nach F.A.Z-Informationen sollen sich die Amerikaner mehr als einmal ins operative Geschäft eingemischt und mehrfach mit dem Zurückhalten von Zahlungen gedroht haben, sollten die getroffenen Entscheidungen zu ihrem Missfallen sein. Anfang Mai hatte Hertha die Tren-nung von Trainer Pal Dardai bekannt gegeben. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Es ist kein Geheimnis, dass sich „777“ von Beginn an einen anderen Trainer als Dardai gewünscht hatte.
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Der Ungarn sprach aus dem Urlaub per Videoschalte zur Basis, der Applaus, den er bekam, hätte lauter kaum sein können. Was passiert, wenn Klubs aktiv gegen den Willen des Investors arbeiten, lässt bei Standard Lüttich beobachten. Dort soll „777“ Berichten nach immer wieder Zah-lungen zurückgehalten oder nicht geleistet haben. Grund dafür soll ein Machtkampf zwischen der Klubführung von Standard und dem Investor sein. Die Botschaft hinter den verschiedenen Verhaltensmustern in Berlin und Lüttich ist klar: So lange gemacht wird, was die Amerikaner sagen, fließt Geld.
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Interimspräsident Fabian Drescher, der verkündete, bei den Wahlen im Herbst kandidieren zu wollen, war bemüht, diesen Eindruck zu verwischen, bestätigte aber indirekt die Vorwürfe. Er berichtete von einem Treffen mit dem Investor nach Bernsteins Tod. „777 sollte verstehen, dass wir uns als Präsidium nicht treiben lassen. Nicht von externen Einflüssen und nicht von 777. Die Entscheidungen treffen ausschließlich wir“, sagte Drescher und fügte an: „Gleichzeitig gilt es auch festzuhalten, dass wir ohne das Geld von 777, die sich als ver-lässlicher Vertragspartner gezeigt haben, hier heute mitunter nicht mehr stehen würden.“
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Wie lange „777“ noch im internationalen Fußball tätig sein wird, ist unklar. Angeblich steht das Unternehmen vor der Pleite, bei zwei der sieben Klubs wurde ihm die Handhabe entzogen. Herthas Finanzchef Thomas Herrich bestätigte die Probleme. „Wir haben uns intern mit einer Gruppe zusammengefunden, um alle Szenarien vorzubereiten: Was passiert mit den Anteilen? Was passiert bei einer Pleite?“, sagte Herrich. Auch er gab an, dass der Partner bis-her alle Vertragsverpflichtungen erfüllt habe. Für Beruhigung sorgte das aber nicht.
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