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Mercenaires privés en Afrique : «Ils sont partout»

by Nouvelles

2024-08-12 08:42:08

Sie haben keine feste Gestalt, sie kennen die Systeme, und sie wissen, wie sie ins Geschäft kommen.“ Söldner und private Militärdienstleister dominieren die Sicherheitslage auf der Welt, davon ist Chris Kwaja überzeugt. Er ist ein führender Sicherheitsexperte auf dem afrikanischen Kontinent und forscht zum Einsatz von Söldnern rund um den Globus. Denn es ist nicht nur die berüchtigte russische Söldnergruppe Wagner, die in bewaffneten Konflikten zum Einsatz kommt. Gerade auf dem afrikanischen Kontinent blüht das Geschäft um private Militärunternehmer auf. Wie groß die Rolle verschiedenster Militärgruppen in Afrika ist, bleibt den meisten Augen dabei verborgen.

„Wagner ist die bedeutendste private Militärfirma, die in Afrika aktiv ist“, sagt Kwaja, der als Professor für Internationale Beziehungen und Strategische Studien am Zentrum für Friedens- und Sicherheitsstudien an der Modibbo-Adama-Universität in Nigeria tätig ist. Er war von 2014 bis 2018 Mitglied der UN-Arbeitsgruppe über Söldner, an deren Spitze der UN-Sonderberichterstatter für Söldner steht. Auf dem afrikanischen Kontinent sind nach Angaben von Informanten aus dieser verschwiegenen Szene jedoch Tausende private Militär- und Sicherheitsfirmen aktiv.

Die Zahl ihrer „Mitarbeiter“ gehe weit in die Millionen, sagt Jack, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, in Namibia. Seine Familie führe ein in England registriertes, privates Militärunternehmen, das vor allem im Irak und in Afghanistan operiere und angeblich an die 10.000 Mitarbeiter habe. Diese Angaben lassen sich nicht endgültig verifizieren. „Es ist eine aufblühende Industrie, die sich so schnell entwickelt, dass sie einer der größten Arbeitgeber des Kontinents geworden ist“, bestätigt aber auch Kwaja. „Denn Militärunternehmen werden in Kriegszeiten genauso gebraucht wie in Friedenszeiten.“ Allein ein Datensatz der Texas Tech University umfasst mehr als 1700 solche Unternehmen aus der ganzen Welt. Auch in Afrika ist die Zahl der Söldner groß: „Sie sind überall“, sagt Kwaja.

Eine Frage der Definition

Söldner werden in Kriegen seit Beginn der Menschheitsgeschichte genutzt – aber nicht jeder, der für private Militärfirmen arbeitet, ist gleich ein Söldner. Private Militärfirmen (PMC) sind gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen, die Militär- und Sicherheitsdienstleistungen erbringen. Experten unterscheiden dabei zwischen Militär- und Sicherheitsfirmen. Letztere bewegen sich im Bereich der Sicherheitsüberwachung und im Schutz von Personen, Ressourcen oder Gebieten. Erstere bieten militärische Dienste an, die von Logistik über Training und taktische Unterstützung bis hin zu operativer Unterstützung – also aktiven Kampfhandlungen – reichen. Militärunternehmen werden auch zur Überwachung von Diamantenminen und Ölfeldern eingesetzt, an denen sie im Anschluss an den Einsatz oftmals Anteile erhalten. Einige Regierungen stellen PMC unter Vertrag, um ihre staatlichen Armeen zu reformieren, zu trainieren und zu beraten.

Mitarbeiter, die für Militärunternehmen arbeiten, sind nicht mit freiberuflichen Söldnern zu verwechseln. Erstere seien durch einen Vertrag mit einem Unternehmen mit Rechtsstatus gebunden, während Letztere direkt und individuell von Regierungen oder sogar Rebellengruppen angeheuert würden, so die Group for Research and Information on Peace and Security (GRIP), ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Brüssel. Auch Kwaja meint, dass man zwischen Söldnergruppen und privaten Dienstleistern unterscheiden muss. „Söldner operieren zumeist im Untergrund und unter größter Geheimhaltung. Sie sind nirgendwo registriert.“ Militärunternehmen hingegen haben „einen Namen, eine Website, ein Gesicht“. Sie sind juristische Personen, die verklagt werden können. Dennoch operieren manche Firmen in einem Graubereich, in dem es zu Gesetzesverstößen kommt.

„Es stecken Millionen und Abermillionen darin“

Das Geschäft rund um private Militär- und Sicherheitsfirmen sei einer der am schnellsten wachsenden Sektoren. „Es stecken Millionen und Abermillionen darin“, argumentiert Kwaja. Auswertungen verschiedener Marktforschungsunternehmen beziffern die globale Marktgröße um private Militärdienstleistungen auf rund 200 Milliarden Dollar.

Das Watson Institute for International and Public Affairs der Brown University in Providence schreibt zum Beispiel, dass sich die Ausgaben des Pentagons seit Beginn des Afghanistankrieges auf mehr als 14 Billionen Dollar belaufen hätten – wobei ein Drittel bis die Hälfte des Gesamtbetrags an militärische Auftragnehmer gehe, zumeist für Aktivitäten im Irak und in Afghanistan. „Mehr als die Hälfte des Jahreshaushalts des Verteidigungsministeriums wird inzwischen für militärische Auftragnehmer ausgegeben, und die Zahlungen an sie sind seit 2001 um mehr als 164 Prozent gestiegen, von etwa 140 Milliarden Dollar im Jahr 2001 auf etwa 370 Milliarden Dollar im Jahr 2019“, so das Institut, welches das Forschungsprojekt „Costs of War“ betreibt. Die US-Anwaltskanzlei Barnett, Lerner, Karsen, Frankel & Castro, PA, die sich auf Rechtsvertretung für Zivilangestellte, die außerhalb der USA auf US-Militärstützpunkten oder für die nationale Verteidigung arbeiten, spezialisiert, gibt an, dass die meisten US-Dienstleister zwischen 300 und 750 Dollar je Tag beziehungsweise zwischen 9000 und 22.500 Dollar je Monat verdienen.

Private Militärindustrie entwickelt

Das moderne Söldnertum in Afrika nahm seinen Anfang in den 1960er und 1970er Jahren. „Damals waren viele der nach der Unabhängigkeit entstehenden afrikanischen Staaten Ziel von Destabilisierungsversuchen, vor allem von außen, aber auch von innen. Dies setzte sich auch in den 1980er und 1990er Jahren fort“, so das Institut für Sicherheitsstudien in Afrika (ISS Africa). Im südlichen Afrika formten sich auch zahlreiche lokale Militärunternehmen, die aus ehemaligen Soldaten hervorgingen.

Eine der prominentesten ist Executive Outcomes (EO), welches Söldner und militärisches Material für den Einsatz rund um die Welt zur Verfügung stellte. Innerhalb weniger Jahre wuchs EO zu einem Teil eines globalen Netzes aus Militärdienstleistern, Bergbau- und Ölunternehmen heran, das in Pretoria, London und in einigen Steueroasen seine Stammsitze hatte. Gegründet wurde EO von Eeben Barlow, der in der South African Defence Force (SADF) zur Zeit der Apartheid gedient hatte. Barlow sei in seiner Zeit im Geheimdienst wohl auch für Mordanschläge auf Kritiker des Apartheidregimes verantwortlich gewesen, schreibt die südafrikanische Journalistin Khareen Pech. Um die Jahrtausendwende aufgelöst, wurde EO 2020 wiederbelebt. Eeben Barlow, noch immer an der EO-Spitze, sagte auf Anfrage, er sei nicht daran interessiert, Fragen der Medien zu beantworten.

EO ist nur eines von vielen Unternehmen, die in Afrika aktiv sind. Das ISS Africa listet allein in Südafrika 24 auf (letzter Stand 2008), von denen sieben auch operative Unterstützung bieten. Wie die Deutsche Welle berichtet, gehören neben der Wagner-Gruppe ferner die US-Unternehmen CACI und Academi (ehemals Blackwater) zu bekannten Militärunternehmen auf dem afrikanischen Kontinent. Auch deutsche Unternehmen sind laut Deutscher Welle auf dem afrikanischen Kontinent tätig, darunter Xeless und Asgaard . Letzteres rekrutiert dem Medienbericht zufolge ehemalige Bundeswehrsoldaten und Polizeibeamte für Sicherheitsaufgaben. Beide Firmen waren bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die Grenzen verschwimmen

So verschwimmen die Linien zwischen gesetzmäßigen Sicherheitsdienstleistungen und verdeckten gewaltsamen Militäroperationen. In den vergangenen Jahren hat sich die Bedeutung des privaten Militärsektors exponentiell verstärkt. „Die globale Landschaft der Militärsicherheit wird momentan von zwei Strömungen geprägt: Erstens ziehen sich Staaten verstärkt aus direkten Kampfsituationen zurück und outsourcen diese Verantwortung in den Privatsektor“, erklärt Professor Kwaja. Private Firmen haben die Kapazitäten, die Erfahrung, Koordination und Einsatzbereitschaft, um auf Krisensituationen zu reagieren.

Auch Informant Jack erklärt, der Einsatz von Militärunternehmen rechne sich finanziell für viele Staaten: „Anstatt die eigene staatliche Armee einzusetzen, hat eine private Kampfeinheit den Vorteil, dass der Staat nicht für deren Ausbildung und Ausrüstung zahlen muss, im Falle eines gescheiterten Einsatzes keine Verantwortung zu übernehmen und auch keine Rettungsmissionen für die eingesetzten Kämpfer zu verantworten hat.“ Hinzu kommt laut Forschungsinstitut GRIP, dass durch Unternehmen durchgeführte Operationen schwerer nachzuweisen und somit von Staaten leichter zu leugnen seien. So würden Kriege „outgesourct“, und die Unterstützung der Öffentlichkeit würde gewahrt, die weniger eigene Soldaten sterben sehen müsse.

Wagner hat „Spannungen auf dem afrikanischen Kontinent enorm erhöht“

Ein zweiter Grund für den wachsenden Einfluss von Militärunternehmen ist laut Kwaja die enorme Fragilität vieler Staaten in Afrika, die sich in Notsituationen nicht mehr auf eigene stabile staatliche Institutionen verlassen können. „Das bringt Probleme in der Transparenz und Rechenschaftspflicht mit sich. Staaten verlassen sich auf Söldner, und zwar zum Schaden der eigenen staatlichen Verteidigungskraft“, so Kwaja. „Wagner hat diese Spannungen auf dem afrikanischen Kontinent enorm erhöht.“ Kwaja beobachtet einen Umschwung in der Sicherheitspolitik Afrikas – weg von westlichen Mächten und hin zu Russland sowie China.

Ein ähnliches Bild zeichnet auch Niklas Masuhr, Militäranalyst und bis vor Kurzem am Center for Security Studies an der ETH Zürich tätig. „Wagner, ein Agent des russischen Schattenstaates, welcher sowohl im Dienste der russischen Regierung als auch der Oligarchie agiert, ist an informelle Machtstrukturen, wie sie in Afrika vielerorts vorliegen, perfekt angepasst“, hatte Masuhr im Gespräch mit der F.A.Z. kurz nach dem Ableben des Wagner-Chefs Prigoschin gesagt.

Ende vergangenen Jahres wurde Wagner sogar in „Afrikanski Korpus“ umbenannt und untersteht nun dem Verteidigungsministerium in Moskau. Was die Gruppe anbiete, sei eine Art „Regime-Überlebenspaket“. Es werde in zentralafrikanischen Staaten nicht eingesetzt, um ein Land zu stabilisieren, sondern um ein Regime zu sichern. Masuhr erläutert: „Die erste Entstehungswelle privater Militärdienstleister folgte auf den Zerfall des Ostblocks.“ Gleichzeitig könne man annehmen, dass einige ehemalige Mitglieder von Spezialeinheiten, die in den vergangen 20 Jahren im Kampf gegen den Terror eingesetzt waren, nun als private Dienstleister in Afrika aktiv sind. „Je nachdem, wie es in der Ukraine weitergeht, könnte ein Ende des Krieges mit Russland in Zukunft den Influx kriegserfahrener Veteranen in den Privatsektor bedeuten.“

Problematische Rechenschaftspflicht

Die rechtliche Lage rund um den Einsatz von Militärunternehmen ist komplex. Laut Forscher Kwaja haben die meisten afrikanischen Staaten rechtliche Vorkehrungen gegen den Einsatz von Militärfirmen getroffen, kaum aber gegen Sicherheitsfirmen, die eingesetzt werden dürften, solange keine Angriffswaffen verwendet werden. Gleichzeitig gebe es spezifische rechtliche Aushandlungen zwischen Staaten, die auch den Einsatz von Militärfirmen erlauben.

Militärunternehmen sind an internationale Konventionen und Menschenrechtsverordnungen gebunden. „Sie können auf allen Ebenen rechtlich belangt werden“, sagt Kwaja. Die UN-Arbeitsgruppe fordert aber seit Langem einen neuen bindenden Rechtskörper, der für die transnational agierenden Firmen gilt. Strafrechtliche Verfolgung ist möglich – werde aber in den meisten Fällen nicht umgesetzt, da politische Interessen einzelner Länder dem im Weg stünden.

Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil es nicht selten zu Menschenrechtsverletzungen durch Söldnergruppen kommt. In Mali etwa wird Wagner-Söldnern massenhafte Vergewaltigung vorgeworfen. In Mosambik haben Agenten der südafrikanischen Dyck Advisory Group laut einem UN-Papier im Juni 2020 wahllos Zivilisten getötet. Doch Staaten hätten allzu oft kein Interesse daran, Militärfirmen oder Söldnern zu sehr auf die Finger zu schauen, sagt Kwaja.

Informant Jack behauptet, internationale Geheimdienste pflegten oft Kontakte zu Söldnern und nutzten sie als Informanten in Konfliktgebieten. Auch Kwaja bestätigt, dass dies vorkomme. Zudem spielen private Militärfirmen eine gewichtige Rolle im Kampf gegen Terroristen: Gerade in instabilen Staaten, wo der Staatsapparat nicht erfolgreich gegen Terroristennetzwerke vorgehen kann, füllen Firmen das entstandene Vakuum. Das ISS Africa kritisiert, dass Militärunternehmen „selbst bei Friedenseinsätzen marktorientiert sind. Anhaltende Instabilität erhält die Branche aufrecht – was Fragen nach den Interessen der Unternehmen an der Erreichung und Erhaltung des Friedens aufwirft.“

Ohne Militärunternehmen geht es auch nicht

So problematisch ihr Einsatz sein mag, leisten die Militärunternehmen auf der anderen Seite auch notwendige Dienste: Viele führen die Überwachung von Lebensmittellieferungen und medizinischer Versorgung in Krisengebieten durch. Andere leisten Personenschutz für Botschafter oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Auch einige UN-Missionen in Afrika nutzen laut der GRIP Militärdienstleister zum Schutz. Am Kampf gegen Wilderer und dem Schutz von gefährdetem Wild gegen bewaffnete Wilddiebe sind Militärunternehmen ebenfalls beteiligt.

Während private Militärfirmen als registrierte Unternehmen ihre Aktivitäten zumindest teils offenlegen, arbeiten Söldner derweil unter absoluter Geheimhaltung. Jack schildert, dass Dienstleister, die aktiv an Kampfhandlungen teilnehmen, in der Regel verdeckt als Touristen ins Zielland einreisen. Billy – auch er will nicht mit Klarnamen genannt werden –, der ein Sicherheitsunternehmen im südlichen Afrika leitet und behauptet, Wagnersöldnern sowie Mossad-Agenten nahezustehen, erzählt, dass Söldner in den jeweiligen Zielländern ihre Waffen- und Munitionskäufe verdeckten, indem sie diese als Bananenbäume und Bananensaat abrechneten. „Geheimhaltung ist der Schlüssel für Söldner“, sagt auch Kwaja. „Es ist ein risikoreiches Geschäft, aber es ist gut bezahlt.“



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