2024-11-08 15:03:00
Wenn Nicole Anyomi mit all ihrem Tempo den Ball nach vorne treibt, muss sich die gegnerische Mannschaft schon fast auf das Schlimmste einstellen. Mit viel Präzision spielte Nina Lührßen am Montag gegen den FC Bayern (1:1) einen langen Ball auf Anyomi, die genau wusste, wann sie den Laufweg von Bayern-Verteidigerin Glódís Viggósdóttir kreuzen muss, um frei vor Torhüterin Ena Mahmutovic ins kurze Eck schießen zu können. „Gegen Bayern hatte ich eine Chance, und das war der Treffer zum 1:1“, erinnert sich Anyomi im Gespräch mit der F.A.Z.: „In dem Moment habe ich daran geglaubt, dass ich vorbeigehe und den Abschluss suche – und am Ende hat der Ball im Tor gelegen.“
Dieses Selbstvertrauen hatte Anyomi nicht immer. Die Mittelstürmerin wurde häufig dafür kritisiert, dass sie nicht an ihre Stärken glaube, und eine noch bessere Spielerin sein könnte, wenn sie nicht ständig mit sich hadern würde. Davon ist ihr in dieser Saison kaum noch etwas anzusehen: Anyomi spielt – wie schon in der vergangenen Spielzeit – auf einem hohen Niveau und ist mit ihrer Wucht nur schwer zu verteidigen.
„Ich fühle mich einfach gut, bin fokussiert und versuche, in jedem Spiel mein Bestes zu geben“, erklärt Anyomi ihre gute Form, mit der sie dazu beigetragen hat, dass Frankfurt zwischenzeitlich sogar an der Tabellenspitze stand. „Ich glaube an mich selbst, vertraue mehr in meine Fähigkeiten und bin bereit, alles für das Team zu geben.“
„Nici bringt eine extreme Dynamik und Torgefahr mit“
Das zeigt sich auch in ihren Statistiken: Mit fünf Toren und drei Vorlagen gehört Anyomi zu den besten Scorerinnen in der Frauen-Bundesliga – und vor allem in den Topspielen kann sich ihre Mannschaft auf sie verlassen. Gegen Wolfsburg (3:0) erzielte Anyomi Ende September zwei, gegen Bayern einen Treffer. So früh in der Saison könnte man fast meinen, dass Anyomi diesen Druck braucht, um zu Höchstleistungen aufzulaufen. „Das sind die Spiele, in denen man sich beweisen und mit den besten Spielerinnen messen kann“, sagt Anyomi, die aus den Erfolgserlebnissen aber eher Motivation zieht für das, was kommt. „Dass es mir gelungen ist, gegen Wolfsburg und Bayern zu treffen, gibt mir viel Selbstbewusstsein, dies auch in den anderen Spielen zeigen zu wollen und zu können.“
Seit Anyomi vor drei Jahren nach Frankfurt gewechselt ist, hat sie sich vom Talent zu einer gestandenen Spielerin entwickelt und ist auch wegen ihres läuferischen Einsatzes längst unverzichtbar. SGE-Trainer Niko Arnautis freut sich zu sehen, wie Anyomi in den vergangenen Jahren an sich gearbeitet habe und mit der Zeit zu einer zentralen Spielerin im Verein geworden sei: „Nici bringt mit ihrer Explosivität im Antritt eine extreme Dynamik und Torgefahr mit, sodass sie für unser Offensivspiel eine Unterschiedsspielerin sein kann. Sie setzt sich wie zuletzt gegen Bayern extrem gut in Eins-gegen-eins-Situationen durch und bringt noch mehr Körperlichkeit in den Zweikämpfen mit als in der Vergangenheit.“
In diesen Punkten will Arnautis mit ihr die nächsten Schritte gehen – und deshalb wurde Anyomis Vertrag auch erst im März um zwei weitere Jahre bis 2026 verlängert. „In dieser Saison spielt sie vom Kopf noch freier auf, was ihrem Spiel und uns als Mannschaft zugutekommt.“
Dass es bei ihr momentan so gut laufe, betont Anyomi, sei aber in erster Linie ein Verdienst der Mannschaft. „Allein kann ich kein Spiel gewinnen.“ Wenn eine einzelne Spielerin ihre Leistung bringe und Tore schieße, übertrage sich das auf die gesamte Mannschaft. „Der Erfolg gehört am Ende allen und nicht nur einer Spielerin.“
So sorgt Anyomi in der Kabine gerne für einen Lacher, versucht, die Stimmung aufzulockern und jüngeren Spielerinnen die Aufregung zu nehmen. Das war lange auch ihre eigene Schwäche, zu der sie offen gestanden hat: Der F.A.Z. hat Anyomi einmal erzählt, dass sie an Spieltagen oft nervös sei und beim Einlaufen „überall Gänsehaut“ bekomme. „Eine gewisse Aufregung vor dem Spiel gehört dazu“, sagt Anyomi: „Manchmal habe ich mich aber schon gefragt, warum die anderen Spielerinnen nicht so nervös sind wie ich.“
Ihr habe geholfen, mit den Leuten, die ihr nahestehen, darüber zu sprechen. Das sei etwas, das sie sonst nicht so gerne mache. „Meine Familie und Freunde haben mir Kraft gegeben und nochmals vor Augen geführt, dass Nervosität auch etwas Gutes sein kann.“
„Was mir ein bisschen fehlt, ist die Kopfballstärke“
Anyomi beschreibt sich als eine ruhige, selbstkritische Person – und so ist es nicht verwunderlich, dass sie trotz des guten Saisonbeginns noch Luft nach oben sieht. Als Spielerin könne sie sich immer weiterentwickeln, sagt Anyomi, und sich auch bei Sachen, die sie schon gut beherrsche, nochmals verbessern.
„Was mir ein bisschen fehlt, um eine komplette Mittelstürmerin zu sein, ist die Kopfballstärke.“ Manchmal schaue sie auch lieber einmal mehr, wo die besser positionierte Mitspielerin stehe. „Das gehört zu meinem Spiel, dass ich den Ball auch gerne einmal abgebe, als mich selbst am Abschluss zu versuchen. Ich habe mir aber vorgenommen, vor dem Tor egoistischer zu werden.“ Das sei ihr in den bisherigen Spielen schon recht gut gelungen, „aber trotzdem versuche ich, bei mir selbst zu bleiben und eine gute Mischung aus Egoismus und Teamfähigkeit zu finden“.
Diese Entwicklung soll Anyomi auch bei ihrem Standing in der Nationalmannschaft helfen. Bereits 27 Mal stand sie für die DFB-Elf auf dem Platz und sammelte Einsätze bei Welt- und Europameisterschaften. Aber während Anyomi in Frankfurt zu den Stammspielerinnen gehört, ist sie in der Nationalmannschaft noch nicht über eine Joker-Rolle hinausgekommen. „Die Leistung, die ich im Verein bringe, muss ich versuchen, auch in der Nationalmannschaft abzurufen.“ Ein Gespräch mit dem neuen Bundestrainer Christian Wück habe sie beim vergangenen Lehrgang noch nicht geführt, aber Anyomi würde sich ohnehin erst mal mit jeder Rolle zufriedengeben: „Trotzdem habe ich auch ein klares Ziel: Bei der EM im nächsten Jahr will ich nicht nur dabei sein, sondern auch mehr spielen.“
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