2025-01-17 00:50:00
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor dem Atom-Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Entscheidung vom Herbst 2022 für einen befristeten Weiterbetrieb der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke begründet. Er habe damals von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, nachdem Versuche zu einer Einigung in der Regierung gescheitert seien, sagte Scholz in der Anhörung am Donnerstagabend in Berlin. Grund seien divergierende Ansichten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gewesen.
„Es kommt nicht oft vor, dass ein Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz tatsächlich formell ausübt“, sagte dazu Scholz. Er wies darauf hin, dass Habeck damals zunächst eine befristete Einsatzreserve für die drei Akw vorgeschlagen hatte. Er sei aber später, auch in Gesprächen mit den Betreibern, „zu der Ansicht gelangt, dass ein Streckbetrieb sinnvoller ist“, also ein Weiterbetrieb der eigentlich zum Jahresende 2022 vorgesehenen Akw bis zum 15. April 2023.
„Deutschland hatte sich über viele Jahre in eine riskante einseitige Abhängigkeit von russischem Gas begeben“, sagte Scholz zum Hintergrund der Versorgungskrise. Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei daher schnell klar gewesen, dass mit dieser Zeitenwende auch große Herausforderungen in Fragen der Energiesicherheit verbunden waren.
15 interne Abstimmungsrunden
Die Bundesregierung habe daher „so rasch wie möglich die notwendigen Entscheidungen getroffen, um Deutschland von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen“, sagte Scholz. Es habe den Monaten danach hierzu etwa interne 15 Abstimmungsrunden von ihm mit Habeck und Lindner gegeben. Allerdings habe sich dann im Jahresverlauf die Lage auf dem Strommarkt zugespitzt, auch wegen „erheblicher Probleme französischer Atomkraftwerke“.
Dies habe dann zur Notwendigkeit geführt, alle Mittel zu nutzen, um die Energieversorgung zu gewährleisten, auch die Atomkraft. Er verwies dabei auf die dazu von Habeck vorgenommene ergebnisoffene Prüfung. In der Befragung wies Scholz auch darauf hin, ihm sei damals deutlich geworden, dass eine Bestückung der Akw mit neuen Brennstäben, wie sie etwa aus der FDP gefordert wurde, „eine Entscheidung für einen längerfristigen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke“ gewesen wäre. Dies habe er damals nicht befürwortet.
Der Ausstieg aus der Atomkraft sei richtig gewesen, sagte Scholz am Donnerstag. Eine mehrjährige Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken wäre „gegen den Konsens“ aus den Vorjahren und der vorherigen Bundesregierungen gewesen, betonte der Kanzler.
Zuvor war Habeck von den Ausschussmitgliedern neun Stunden lang befragt worden. Der auf Antrag der Union im vergangenen Juli eingesetzte Ausschuss hat den Auftrag, sich ein Gesamtbild von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung hinsichtlich der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke zu verschaffen. Union und FDP werfen Habeck vor, seine Prüfung sei damals nicht unvoreingenommen und ergebnisoffen gewesen. Habeck wies dies zurück.
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