Peter Voß sur le commentaire gloussant de « Tagesthemen » sur Kamala Harris

2024-07-26 21:36:04

Wer noch Zweifel daran hegen mag, dass uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk immer wieder unvergessliche Momente beschert, nicht zuletzt in den Nachrichtensendungen, dem sei empfohlen, sich nachträglich die „Tagesthemen“ vom 22. Juli anzutun. Nein, dort ging es nicht mehr um den Schuss auf den verhassten Donald Trump, es ging um die Chancen von Kamala Harris nach Joe Bidens Kandidaturverzicht, ein Thema, das uns alle brennend interessieren dürfte.

Welche Chancen haben die Demokraten nun (wieder) gegen den Mann, der nicht wie normale Politiker (und wir normalen Nichtpolitiker auch) gelegentlich Zuflucht zu einer halben Wahrheit oder, ja doch, einer ganzen Lüge nimmt, sondern die Lüge zu seinem politischen Geschäftsprinzip gemacht hat?

Der „Black Caucus“ sprach ein Machtwort

Anlass und reichlich Stoff für allerhand Erwägungen und Argumente gab es also in der von Helge Fuhst gewohnt souverän präsentierten Sendung; und sie mündete zunächst auch in eine erste Analyse des Politologen Michael Werz vom (den Demokraten und der Biden-Administration nahestehenden) „Center for American Progress“. Von ihm war unter anderem zu hören, warum den Demokraten so rasch gelang, was die Parteiräson gebot: weil die schwarzen Parlamentarier des „Black Caucus“ in der Partei ein Machtwort gesprochen und zum Beispiel die einflussreiche Demokratin Nancy Pelosi dazu gedrängt hätten, sich für Harris auszusprechen. So weit, so informativ.

Dann aber als Kontrastangebot, leider auch im Niveau: der Kommentar einer ARD-Korrespondentin aus Washington, in dem es, dem Moderator zufolge, nicht zuletzt um Harris’ Wahlchancen gehen sollte. Wer sich über Sinn und Unsinn des täglichen, bisweilen dem „Wort zum Sonntag“ ähnelnden „Tagesthemen“-Kommentars Gedanken macht, weil er dabei manchmal einzuschlafen droht, dem sei der Text freilich empfohlen, wenn auch nur zum Beweis dafür, dass verkrampfte Originalität auch kein frohes Erwachen bringt.

Fast religiöse Verzückung

Mit fast religiöser Verzückung wurde da drauflos geschwärmt: „Wenn Kamala Harris lacht, dann verzieht sie nicht nur den Mund, sie röhrt, sie gluckst, sie lässt das Lachen aus dem Bauch aufsteigen bis zu ihren Augen, sie lässt ihr ganzes Gesicht strahlen und ihren Körper beben. Ich finde das ansteckend, die Republikaner nicht.“

Klar, Trump kriegt dann ordnungsgemäß sein Fett weg, und die Kommentatorin unternimmt sogar eine zaghafte argumentative Anstrengung, indem sie den kleinen demokratischen Schönheitsfehler bei der Kandidatenauswahl – dass es da keinen offenen Wettbewerb gibt – mit dem großen Zeitdruck entschuldigt, unter dem die Partei steht. Wobei sie freilich weder die allzu nachhaltige Halsstarrigkeit Joe Bidens als Ursache benennt noch die größte Gefahr, die den Demokraten sonst gedroht hätte, nämlich sich über die Kandidatur hoffnungslos zu zerstreiten. Aber man kann nicht alles Wichtige erwähnen, wenn ein schier ergreifendes emotionales Bekenntnis abzulegen ist. So fragt sie sich und uns schließlich noch, ob Harris die Zeit und das Zeug hat, sich erst als Kandidatin und dann gegen Trump durchzusetzen. Und siehe, wir dürfen darauf vertrauen, denn: „Sie kann es, sie wird es können, sie wird es können müssen, und ich freue mich schon darauf, wie sie, Harris, wenn sie denn die Kandidatin wird, in ihrer ersten Fernsehdebatte den wütenden, düsteren, quengelnden Donald Trump einfach an die Wand lacht.“

Ja, da muss man sich doch einfach mitfreuen, nicht zuletzt über die prophetischen Gaben einer Korrespondentin. Und wer da etwa nicht herzlich mithält, was für ein Mensch mag der wohl sein? Hoffentlich zahlt so einer wenigstens seinen Rundfunkbeitrag.

Der Autor war Intendant des Südwestrundfunks, Chef der Nachrichtenredaktion und Moderator des „heute journal“ und stellvertretender Chefredakteur im ZDF..



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