2024-07-21 15:58:55
Das Ringen um die Rettung des traditionsreichen baden-württembergischen Batterieherstellers Varta spitzt sich zu. Nach Informationen der F.A.Z. aus Bankenkreisen könnte der Sportwagenhersteller Porsche nicht nur in die Produktion der Varta-Zelle V4Drive einsteigen, sondern sich auch an der Varta AG beteiligen, um den Konzern zu stabilisieren und die Ausgliederung der V4Drive-Gesellschaft nicht zu gefährden.
Bekannt ist bislang nur, dass Porsche und Varta über einen Einstieg des Automobilunternehmens in die V4DriveTochtergesellschaft verhandeln, diese Gespräche hatten die Unternehmen vor gut zwei Wochen bestätigt.
Laut Bankunterlagen, die die F.A.Z. einsehen konnte, strebt Porsche die Mehrheit der Anteile an V4Drive an und übernimmt eine Minderheitsbeteiligung an der Varta AG in Form einer Kapitalerhöhung. Mit dieser Minderheitsbeteiligung sichert Porsche den Ausgliederungsprozess der V4Drive-Produktion aus dem in Schieflage geratenen Varta-Konzern ab.
Porsche 911 GTS profitiert
Varta hat die Hochleistungszelle mit der Förderung im Rahmen der Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Project of Common European Interest – IPCEI) für Anwendungen im Automobilbereich entwickelt, Porsche unterstützt den Aufbau der Produktion seit Längerem. Die Pilotanlage steht in Ellwangen, die gesamte Produktion der Linie kaufte Porsche und bestückt damit den Turbohybridantrieb im Porsche 911 GTS.
Für Porsche ist einzig und allein die Hochleistungszelle wichtig. Die Boosterbatterie für hohe elektrische Leistungen ist nötig für den Turbohybrid, der den für das Unternehmen so wichtigen 911er noch dynamischer macht. Dass der Sportwagenbauer nun offenbar auch bei dem Mutterkonzern einsteigt, zeigt die dramatische Lage der Varta AG.
Die Beteiligung ist ein Teil der Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens, die in der Aktualisierung des Sanierungsgutachtens stehen werden, das die Beratungsgesellschaft KPMG zurzeit erarbeitet und das in Kürze veröffentlicht wird.
Hilfe aus Österreich für Varta
Wie aus Unterlagen, die am Wochenende bei mehreren Banken besprochen worden sind, hervorgeht, sieht das angepasste Sanierungsgutachten neben dem Einstieg von Porsche einen teilweisen Forderungsverzicht der Banken sowie eine weitere finanzielle Hilfe durch den österreichischen Unternehmer Michael Tojner vor.
Die Summe, die durch die gemeinsame Finanzierung zusammenkommen soll, beläuft sich auf 100 Millionen Euro. Tojner hält über seine schweizerische Holding Montana Tech Components die Mehrheit an Varta, er hatte 2007 Vartas hoch verschuldete Mikrobatteriesparte von der Industriellendynastie Quandt gekauft und im vergangenen Jahr eine Kapitalerhöhung im Volumen von 50 Millionen Euro gezeichnet. Weder Porsche und Varta noch Tojner wollten sich auf Anfrage der F.A.Z. am Wochenende zur Sanierung der Varta AG und dem Einstieg der Porsche AG äußern.
Klar ist, dass die Zeit für eine grundlegende Sanierung des Batterieherstellers immer knapper wird. Der Konzern, der den Umsatz zwischen 2019 und 2021 bei Umsatzrenditen (Ebitda) bis zu 31 Prozent von 363 auf 903 Millionen Euro gesteigert hat, steckt in einer existenziellen Krise. Wegen zurückgehender Bestellungen von Kunden brachen die Erlöse 2022 ein, hinzu kamen steigende Rohstoff- und Energiekosten.
Stellenabbau und Hackerangriff
Im Zuge eines Sanierungsprogramms kündigte Varta im Frühjahr 2023 den Abbau von weltweit 800 Vollzeitstellen an, allein in Deutschland sollten 390 Arbeitsplätze wegfallen. Im Februar legte ein Hackerangriff Produktion und Verwaltung für längere Zeit lahm, die Geschäftszahlen für das Jahr 2023 hat Varta noch immer nicht vorgelegt, weshalb das Unternehmen aus dem S-Dax flog.
Im März musste Varta einräumen, dass das Sanierungsprogramm bei Weitem nicht ausreicht, um den Konzern zu stabilisieren. Das Unternehmen kündigte eine Aktualisierung des Programms an: Der Einstieg von Porsche ist nun Teil dieses neuen Rettungsversuchs.
Kernproblem von Varta sind nach wie vor die viel zu hohen Kapazitäten im sogenannten Coin-Power-Bereich. Das sind wiederaufladbare Knopfzellen, die der Batteriehersteller lange Zeit exklusiv an den Technologiekonzern Apple geliefert hatte, die der für seine kabellosen Kopfhörer verwendet hatte.
Apple macht Probleme
Varta hatte dafür die Produktionskapazitäten am Standort Nördlingen massiv ausgeweitet, die nun nicht gebraucht werden, weil die Nachfrage sank und Apple seine Lieferkette auf mehrere Zulieferer umstellte, um sie abzusichern. „Die aktuelle Gesamtjahresauslastung für Coin-Power-Zellen liegt weiterhin deutlich unter 50 Prozent“, erläuterte ein Sprecher vor wenigen Tagen das Ausmaß der Misere.
Die hohen Schulden verkomplizieren die Situation weiter: Langfristige und kurzfristige Verbindlichkeiten summieren sich nach den Angaben zum dritten Quartal 2023, den letzten offiziell veröffentlichten Zahlen, auf rund 970 Millionen Euro. Hinzu kommt der Einbruch im Markt für Energiespeicher, die Varta in erster Linie auf hohe Lagerbestände im Großhandel zurückführt.
„Nachdem Großhändler derzeit die 2023 aufgebauten Bestände abbauen, gehen deutlich geringere Bestellvolumen bei Energiespeicherproduzenten wie Varta ein“, sagt der Varta-Sprecher weiter. Relativ stabil läuft das Geschäft mit Haushaltsbatterien und Mikrobatterien, die vor allem in Hörgeräten und Zählern für Heizungen eingesetzt werden.
Auf Michael Tojner kommt es an
Die Rettung von Varta steht und fällt mit dem Engagement von Michael Tojner. „Ich stehe zu Varta und glaube fest daran, dass wir das Unternehmen zurück auf den Wachstumspfad führen können“, hatte der österreichische Unternehmer noch vor wenigen Tagen zur F.A.Z. gesagt.
Er fügte hinzu: „Ich bin trotz aller Herausforderungen überzeugt, dass Europa und die europäische Industrie einen unabhängigen, hochinnovativen Batteriehersteller wie Varta brauchen. Europa darf sich nicht in Schlüsseltechnologien von asiatischen Batteriezellen abhängig machen, das gilt vor allem auch für die Automotivindustrie.“
Genau dieses Ziel ist auch für Porsche wichtig, auch der Sportwagenhersteller hat ein Interesse daran, dass Varta überlebt – zumindest im Hinblick auf die Hochleistungszellen für den Porsche 911 GTS.
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