2025-01-25 13:26:00
Auf einem verschwommenen Foto in Schwarz-Weiß steht eine junge Frau mit einem Bauchladen vor sich und verkauft Zigaretten. Ein Schnappschuss vom Oktoberfest, Anfang der Siebzigerjahre. Damals ahnte niemand, dass diese Zigarilloverkäuferin in weißer Bluse mal eine erfolgreiche Designerin und Unternehmerin in der Luxusbranche würde – vermutlich nicht einmal sie selbst.
Iris von Arnim ist einzigartig unter den Designern, nicht nur, weil ihr Lebenslauf so kurvig war, dass einem hätte schwindlig werden können. Und nicht nur, weil sie zu den wenigen gehört, die seit mehr als vier Jahrzehnten ein Modeunternehmen unter eigenem Namen führt, das nicht von einem Luxuskonzern aufgekauft wurde. Sondern weil man Persönlichkeiten wie sie in der globalisierten Modewelt suchen muss. Willensstarke Frauen, die es anders machen als andere, und doch wissen, was sie tun.
Sie musste ihren Weg erst finden
Iris von Arnim, die an diesem Samstag 80 Jahre alt wird, ist nicht in ein Unternehmen hineingeboren worden, sondern musste ihren Weg erst finden. Der war durchaus schmerzhaft. Ihre Familie, die aus einem 800 Jahre alten Adelsgeschlecht stammt, hatte mit Mode nichts zu tun. Kurz nach ihrer Geburt 1945 floh die Mutter aus Schlesien in den Westen, der Vater kam traumatisiert aus dem Krieg zurück. Iris von Arnim war drei Jahre alt, als die Mutter, und 16 Jahre alt, als auch der Vater starb. Die weit verzweigte Verwandtschaft kümmerte sich, dennoch war das Mädchen früh auf sich allein gestellt. Sie sagt selbst von sich, dass sie sprunghaft gewesen sei, ein „freier Vogel“, mehr Hippie als Tochter aus gutem Haus. Ihre preußische Herkunft drang zunächst nicht durch. Diszipliniert war sie allenfalls darin, eine Sache schnell wieder zu beenden, wenn sie nicht von ihr überzeugt war. Sie jobbte – und lebte. Lernte in München Reisebürokauffrau, arbeitete auf dem Oktoberfest, später als Reporterin und freie Fotografin. Dazwischen feierte und flirtete sie, immer mit einer Zigarette in der Hand.
Ihr Leben änderte sich 1970 nach einem schweren Autounfall am Eschborner Dreieck auf dem Weg von Köln nach München. Monatelang lag sie eingegipst in einer Heidelberger Klinik. Freunde brachten ihr zur Ablenkung einen Plattenspieler und ein Kilogramm Wolle vorbei. Im Krankenzimmer hörte sie Pink Floyd und brachte sich das Stricken bei. Mit der Zeit begann sie zu experimentieren. Heraus kam ein Pullover in Regenbogenfarben, den sie so verstrickte, dass die Farben ineinander verliefen. Ein Statement-Sweater, lange bevor der Begriff geboren war. Einer, den jeder haben wollte, und der ihr Geschäft begründete, das sie 1976 mit Anfang 30 nicht im damals turbulenten München, sondern im gesetzten Hamburg eröffnete. Als sie ihre Entwürfe schließlich in Kaschmirwolle stricken ließ, war sie im Luxussegment angelangt und verkaufte erfolgreich an betuchte Kundinnen auf Sylt. Schnell nannte man sie „Queen of Cashmere“, weil man in den Achtzigerjahren Modemacher gerne adelte. Iris von Arnim hatte allerdings Jil Sander („Queen of less“) und Karl Lagerfeld („Kaiser Karl“) voraus, dass sie tatsächlich einen Adelstitel trug.
Sie zog ihren Sohn allein auf
Ihr Unternehmen führt sie mittlerweile mit Sohn Valentin, der das operative Geschäft leitet und dafür 2006 seine Position bei Goldman Sachs in New York aufgab. Auch er ist ein Beispiel für von Arnims Unabhängigkeit. Als sie mit dem Chefarzt, der sie nach dem schweren Autounfall behandelt hatte, ein Kind erwartete, entschied sie sich noch in der Schwangerschaft gegen das abgesicherte Leben als Arztgattin und zog ihren Sohn allein auf.
Ihre hochwertigen Kollektionen, die sie noch immer selbst verantwortet, werden in Luxuskaufhäusern der ganzen Welt und in den drei eigenen Geschäften in München, Wien und auf Sylt verkauft. Die Ideen gehen Iris von Arnim nicht aus. Zu ihrem runden Geburtstag gibt es einen limitierten klassischen Rollkragenpullover aus Kaschmir und Seide mit asymmetrischen Ärmelabschlüssen, ein besonderes Detail, das sie selbst entwickelt hat.
Fast 50 Jahre lang hat Iris von Arnim das Unternehmen durch Höhen und Tiefen geführt. Am Ende bewies die Modemacherin mit preußischen Wurzeln dann doch Disziplin und Durchhaltevermögen.
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