Préféreriez-vous être bleu plutôt que voter bleu ?

2024-08-30 20:59:53

Darf man das Wort „Wahlen“ noch sagen respektive schreiben, oder blättern Sie dann gleich zum Wirtschaftsteil um? Dort wird’s aber auch nicht einfacher, weil Sie dann vor die Wahl (!) gestellt werden, ob Sie Ihr Milliardenvermögen bis zum Ableben steuergünstig verschenken oder lieber direkt in irgendwas mit KI, Elon Musks Marotten oder eine unsinkbare Luxusyacht investieren sollten.

Fragen wie diese stellen sich nirgendwo so häufig wie im Osten der Republik, dessen südliche Hälfte sich zu allem Überfluss am Sonntag auch noch neue Landtage wählen soll. Muss man denn in der Demokratie alles selber machen? Ja, denn das steht im Einigungsvertrag von 1990 sogar im Großgedruckten.

„Kein Bier vor vier!“

34 Jahre später könnte es, je nach Sichtweise, zu einem blauen Wunder oder einem blauen Auge kommen, wobei sich die Junge Union in Sachsen bereits ihrem Schicksal ergeben zu haben scheint. Sie griff schon vor der Wahl zum vermeintlichen Allheilmittel, das doch erst am Wahlabend, und dann nur adäquat dosiert, angewendet werden sollte (vgl. nicht: Schröder, Gerhard). Jedenfalls marschierte der CDU-Nachwuchs unter dem Motto „Lieber blau sein als blau wählen!“ durch Fußgängerzonen und bot Passanten am helllichten Tag Freibier an.

Die offizielle Begründung, mit „zielgruppengerechter Ansprache“ Menschen zur Stimmabgabe zu ermuntern und mit ihnen ins Gespräch kommen zu wollen, ist allerdings auch schon wieder ein heftiger Schlag in die selbst gemachte Fruchtbowle jeder Kleingartengemeinschaft, deren Mitglieder sich noch an das inoffizielle sozialistische Motto „Kein Bier vor vier!“ erinnern. Das wiederum wurde mit zunehmender Dauer der DDR bei Anhängern des Kollektivs „Aber ab um zehn soll’s auch schon geh’n!“ durchaus kritisch gesehen – sofern Bier überhaupt lieferbar war.

Natürlich gibt es Wähler, die der Meinung sind, dass sie das bisschen, was sie essen, auch gleich trinken könnten. Für alle anderen fordert die Thüringer CDU auf Plakaten: „Grillen muss erlaubt bleiben!“ Abgesehen davon, dass wir keine Partei gefunden haben, die das Grillen verbieten will, ist nicht sicher, ob der Union hier möglicherweise nach Freibier die Grammatik entglitten ist und es zur Bewahrung der Schöpfung nicht vielmehr „Grillen müssen erlaubt bleiben!“ heißen sollte. Die wiederum ließen sich dann auch im Sinne nachhaltiger Ernährung grillen.

Ein gemeinsamer Grillabend wäre auch was für die Ampel in Berlin, um zu überlegen, was sie ihren verbliebenen Anhängern im letzten Regierungsjahr auftischen will. Das aber kann man vergessen, weil schon bei der Wahl von Grillgut, Grillart und Getränken unüberbrückbare Differenzen sichtbar werden dürften. Das einstige Versprechen, sich gegenseitig auch mal Erfolge zu gönnen, also Scholz ein stilles Mineralwasser, Lindner ein Schweineschnitzel und Habeck die Kanzlerkandidatur, ist nicht mal mehr am Abendbrottisch drin. Stattdessen Futterneid, wohin man blickt, dazu die vergebliche Hoffnung, noch mal mit zwei blauen Augen davonzukommen.

„Trinken für den Frieden“

Letztere versteckt Thüringens AfD-Kandidat Björn Höcke hinter Pilotenbrillengläsern. Etwa, um seinen wahren Zustand zu verbergen? Oder warum wusste Höcke schon am Montag, dass er am Mittwoch zum großen Fernsehduell krank sein wird, obwohl er noch Dienstag im Wahlkampf war? Entweder ist er die personifizierte Vorsehung, oder er hat es mit seiner asketischen Lebensweise übertrieben. Am Ende war es wohl nur blanke Angst, vor laufender Kamera blass zu werden oder gar rot anzulaufen.

Blau aussehen allein reicht eben nicht, blau sein muss man auch können. Da sollten unsere Politiker mal einen Blick in die Vergangenheit werfen. Nach Sachsen etwa, wo der legendäre Kurfürst und Polenkönig August der Starke Anfang des 18. Jahrhunderts die „Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit“ gründete.

„Trinken für den Frieden“ lautete deren Motto, das der Gründer gemeinsam mit seinem preußischen Pendant Friedrich Wilhelm I. so ernst nahm, dass die Lösung politischer Krisen zumindest eine Zeit lang lediglich eine Frage der Wahl der richtigen Flasche war. Und das sollte doch als Empfehlung für den Sonntag reichen.



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