2025-02-12 03:20:00
Am zweiten Tag des Prozesses gegen Hadi Matar hat der Schriftsteller Salman Rushdie ausgesagt. Matar wird beschuldigt, Rushdie im August 2022 bei einer Veranstaltung in Chautauqua niedergestochen und lebensgefährlich verletzt zu haben. Der damals 75 Jahre alte Autor war in die Kleinstadt im Norden des Bundesstaates New York gekommen, um einen Vortrag zu halten.
Rushdie schilderte dem Gericht, wie der ganz in schwarz gekleidete Angreifer auf ihn zu gerannt sei. Sofort seien ihm dessen Augen aufgefallen, die er als „dunkel und wild entschlossen“ beschrieb. Zunächst habe er gedacht, dass der Mann ihn verprügeln wolle, sagte Rushdie. Nach mehreren Stichen habe er in einem „See aus Blut“ gelegen. Er habe gedacht, dass er jetzt sterben werde. Besonders der Stich in sein Auge habe intensive Schmerzen verursacht: „Ich habe geschrien, weil es so weh tat und ich nichts sehen konnte.“
Der Autor zeigte den Geschworenen seine zugenähte Augenhöhle unter der schwarzen Brillenhälfte. Auch seine Hand sei nicht vollständig geheilt, nachdem der Angreifer mit dem Messer alle Sehnen durchtrennt habe. „Ich hob irgendwann die Hand, um mich zu schützen, aber er stach einfach darauf ein“, sagte Rushdie laut Zeitungsberichten. Kurz nach der Attacke habe er das Bewusstsein verloren und könne sich nur noch an das Krankenhaus erinnern.
In einem kurzen Kreuzverhör von Anwältin Lynn Schaffer sagte Rushdie, dass es natürlich auch falsche Erinnerungen gäbe. So habe er zuerst gedacht, dass er dem Attentäter gegenübergestanden habe, doch er habe gesessen, bevor er fiel. Schaffer fragte ihn auch, ob er fünfzehn Messerstiche gefühlt habe. Rushdie antwortete, er habe nicht mitgezählt, später habe er die Wunden aber an seinem Körper sehen können.
Er könne die Augenoperation, die er später hatte, um das Auge zunähen zu lassen, „nicht empfehlen“, weil er sehr starke Schmerzen gehabt habe, sagte Rushdie. Heute sei er nicht vollständig genesen, sondern befände sich bei 75 bis 80 Prozent seines früheren Energielevels, so der 77-jährige. „Ich bin nicht so stark, wie ich es einmal war“, zitierte ihn die „New York Times“.
Es war das erste Mal, dass Rushdie vor Gericht auch auf den Beschuldigten traf. Der 27 Jahre alte Matar hatte ähnlich wie am Vortag eine pro-palästinensische Parole aufgesagt, als er den Saal betrat. Als Rushdie an dem Angeklagten vorüberging, weinte die Frau des Autors, Rachel Eliza Griffiths, Medienberichten zufolge. Die meiste Zeit soll Matar während der Aussage Rushdies hinunter auf den Tisch vor sich geblickt haben. Kameras sind während der Verhandlung nicht zugelassen.
In den folgenden Tagen sind weitere Zeugenaussagen geplant. Matars Anwalt hatte nicht ausgeschlossen, dass dieser sich selbst äußern könnte. In einem Interview in Haft hatte der Beschuldigte, der die libanesische und die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, den verstorbenen iranischen Ajatollah Khomenei als „großartigen Menschen“ bezeichnet.
Nach dem Erscheinen von Rushdies Roman „Die Satanischen Verse“ 1988 hatte Khomeini den Autor einen Verächter der islamischen Religion genannt. Im Jahr darauf hatte der geistliche Führer dann eine „Fatwa“ ausgesprochen und Muslime dazu aufgerufen, den Schriftsteller zu töten. Rushdie stand in Großbritannien jahrelang unter Polizeischutz.
Die Fatwa wurde nie offiziell aufgehoben, auch wenn Irans Regierung 1998 erklärte, sie nicht mehr „umsetzen“ zu wollen. Bislang machte die Anklage diesen Zusammenhang noch nicht zum Thema. Das dürfte aber in Matars Verfahren wegen Terrorismus-Verdachts passieren, das später vor einem Bundesgericht in Buffalo eröffnet werden soll.