2024-11-20 18:51:00
Zum Ende des in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Vergewaltigungsprozesses wirft der Anwalt von Gisèle Pelicot eine grundsätzliche Frage auf. „Wie kann es sein, dass sich in Frankreich 50, aber in Wirklichkeit auf Anhieb 70 Männer in einem Umkreis von 50 Kilometern finden, um von dem leblosen Körper einer bewusstlosen Frau zu profitieren?“, fragt Anwalt Antoine Camus am Mittwoch.
Der Prozess im Gerichtssaal von Avignon habe der Gesellschaft auch einen Spiegel vorgehalten. Die 50 Angeklagten seien wie ein Kaleidoskop Frankreichs, alte und junge Männer, gut ausgebildete und gering qualifizierte, verheiratete und bindungslose, lang ansässige und neu eingebürgerte Franzosen. Ihnen sei gemein, die Vergewaltigung, wenn nicht rundum zu leugnen, so doch zu banalisieren.
Von Dominique Pelicot, dem Ex-Ehemann, der neun lange Jahre lang seine Frau den im Internet angeworbenen Männern ausgeliefert hat, ist dazu nichts Neues zu erfahren. In seinen abschließenden Worten am Mittwoch spricht er von seiner „Sexsucht“, die ihn in „ein Getriebe“ habe geraten lassen. Am Vortag hatte er eingestanden, dass es ihn erregte, „eine unbeugsame Frau zu unterwerfen“ – mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln, die er Gisèle in immer höheren Dosen heimlich verabreichte.
Die zwei Frauen schauen sich kaum an
Die Ausflüchte und Lügen des Hauptangeklagten stehen am Mittwoch weiter im Mittelpunkt. Das Gift des Zweifels hat inzwischen auch das Verhältnis zwischen Gisèle Pelicot und ihrer Tochter Caroline Darian zerrüttet. Das ist im Saal zu spüren, in dem die beiden Frauen, die Anfang September noch geeint in den juristischen Kampf zogen, sich kaum anschauen.
Caroline Darian hat ihre Wut immer weniger im Griff. Am Mittwoch springt sie mit hochrotem Kopf auf, als ihr Vater wehleidig sagt, er wolle ihr noch einmal in die Augen blicken, er ertrage es nicht, sie in „diesem Zustand“ zu sehen. „Ich werde dich nicht (in Haft) besuchen kommen, Dominique“, brüllt sie. „Du wirst allein verrecken, wie ein Hund!“
Der Verdacht des Inzests beherrscht ihren Kopf
Darians Anwalt erläutert, wie der Zweifel sie „auf niedriger Flamme verzehrt“. Denn noch immer gibt es keine Erklärung für die beiden Nacktfotos der Tochter, die ohne ihr Wissen aufgenommen wurden. Dominique Pelicot will sich nicht daran erinnern können. Er schwört, er würde die Wahrheit sagen, er habe sich nicht an seinen Kindern und Enkeln vergangen.
Aber der Verdacht des Inzests beherrscht nicht nur Darians Kopf. Die Ermittler haben auch zwei Dateien entdeckt, die gelöscht worden waren. Nur die Titel waren noch vorhanden: „Carolines Nacktaufnahmen“ und „Die Schlampe (Gisèle Pelicot) und ihre Tochter“. Darauf hingewiesen, dass am Mittwoch die letzte Gelegenheit sei, der Wahrheitsfindung zu dienen, hüllt sich Pelicot in Schweigen.
Die Mutter und die Tochter entfremdet unterdessen die Tatsache, dass Gisèle sich weigert, die Erinnerung an 50 Jahre gemeinsames Leben insgesamt zu schwärzen. „Es steht mir nicht zu, ihn zu beurteilen, ich bin eine sehr positive Person, und ich denke, dass man das Beste von Dominique Pelicot in seiner Erinnerung behalten sollte“, sagt Gisèle Pelicot am Dienstagnachmittag. Das heiße aber nicht, dass sie ihm verziehen habe. „Ich habe nichts verziehen.“
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