Une dispute sans fin ?

2024-09-04 16:31:35

Wenn Kosmologen streiten, dann geht es meist um das große Ganze. Vor mehr als hundert Jahren drehte sich eine Kontroverse um nicht weniger als die Frage, wie weit sich das Universum erstreckt. Besteht es nur aus der Milchstraße, oder ist es noch viel größer? Die Frage wurde beantwortet, als Astronomen erstmals die Entfernung der Andromedagalaxie im Jahr 1923 bestimmten. In den Sechzigerjahren klärte die Entdeckung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds den ebenfalls lange Zeit schwelenden Streit, ob das Universum seit Ewigkeiten existiert oder in einem Urknall entstanden ist. Nun gibt es wieder einen Disput, diesmal um die Frage, wie schnell sich der Kosmos tatsächlich ausdehnt.

Zwei Fraktionen beharren seit gut zehn Jahren auf ihren jeweiligen, allerdings mit verschiedenen Methoden gewonnenen Befunden. Die eine wird von dem Nobelpreisträger Adam Riess von der Johns Hopkins University in Baltimore angeführt und sagt, der Kosmos expandiere etwas schneller als bisher gedacht. Nein, widersprechen andere Wissenschaftler. Sie leiteten aus Daten des europäischen Spezial-Weltraumteleskops Planck eine etwas langsamere Expansion des Kosmos ab. Nun wollen Astronomen um Wendy Freedman von der University of Chicago mit neuen Messungen die Streitfrage endlich gelöst haben.

Die Hoffnung auf „neue Physik“ wird abermals enttäuscht

Ob sich der Kosmos etwas schneller oder langsamer ausdehnt, könnte große Auswirkungen haben. Denn nicht wenige Kosmologen hoffen, dass sich hinter der kleinen, aber signifikanten Diskrepanz „neue Physik“ verbirgt, also bislang unbekannte Naturgesetze, die vielleicht auch eine Erklärung dafür liefern, was hinter der mysteriösen Dunklen Materie und Dunklen Energie steckt. Von Ersterer weiß man bislang nur sicher, dass sie über ihre Gravitation dazu beiträgt, die Expansion des Universums zu bremsen, von Letzterer nur, dass sie sie beschleunigt.

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Doch wenn Wendy Freedman und ihr Team aus Chicago recht haben, dann bleibt die Hoffnung auf neue Physik unerfüllt. Denn Messungen mithilfe des ­James-Webb-Weltraumteleskops belegten, dass die Diskrepanz zwischen den Konsequenzen aus den Planck-Daten und den Befunden der Gruppe um Adam Riess gar nicht existiert, schreiben Freedman und Kollegen in einer beim „Astrophysical Journal“ eingereichten Arbeit: Das Team um Riess habe schlicht unrecht, die Ausbreitungsrate entspricht dem Wert, der aus den Messungen mit dem Planck-Satelliten ermittelt wurde. Nachdem Freedmans Artikel Anfang August auf dem Preprintserver „arxiv.org“ erschienen war, dauerte es nur neun Tage, bis Riess und sein Team die Retourkutsche veröffentlichten: Nein, ihre über Jahrzehnte zusammengetragenen Resultate seien keineswegs falsch, auch nicht im Lichte von James Webb.

Im Schein der Standardkerzen

Der Kern der Streitigkeiten ist eine zentrale kosmologische Größe: Sie wird nach dem amerikanischen Astronomen Edwin Hubble als Hubble-Konstante, kurz H0, bezeichnet. Sie ist eigentlich keine Konstante, sondern bezieht sich auf die kosmologische Gegenwart und beschreibt dafür das Verhältnis zwischen der Fluchtgeschwindigkeit einer Galaxie als Folge der Expansion des Universums und ihrer Entfernung von der Erde. H0 ist einer der wichtigsten Parameter des kosmologischen Standardmodells, weswegen die Diskrepanz, um die nun gestritten wird, auch als „Hubble-Krise“ oder „Hubble-Tension“ bezeichnet wird.

Nun kann der Wert von H0 auf zwei verschiedene Wegen empirisch ermittelt werden. Riess und sein Team verwenden das „klassische“ Verfahren, das schon Edwin Hubble selbst in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts nutzte: Dabei bestimmten sie mithilfe des Hubble-Teleskops die Entfernungen von Galaxien mithilfe von Cepheiden – hellen Riesensternen, deren scheinbare Helligkeit mit ihrer tatsächlichen Leuchtkraft verglichen werden kann. Weil man anhand dieser Leuchtkraft auf deren Entfernung schließen kann, dienen die Cepheiden als „Standardkerzen“. Anschließend ermittelt man die Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien anhand der Rotverschiebung des von ihnen ausgesandten Lichts. Auf diese Weise ermittelten Adam Riess und sein Team einen Wert für H0 von 73 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec, wobei ein Megaparsec einer Distanz von 3,26 Millionen Lichtjahren entspricht.

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Das Echo des Urknalls widerspricht

Einen völlig anderen Ansatz nutzten die Kosmologen, die mit den Daten der europäischen Planck-Mission arbeiteten. Der Satellit maß bis zum Jahr 2013 die Temperaturverteilung im kosmischen Mikrowellenhintergrund, der auch das „Echo des Urknalls“ genannt wird. Darin zeichnet sich H0 zwar nicht direkt ab, lässt sich jedoch aus der Analyse der Strahlungsverteilung indirekt bestimmen. Dieses allgemein akzeptierte Verfahren liefert eine Hubble-Konstante von 67,4 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Die Diskrepanz zwischen beiden Werten ist signifikant, das heißt, sie lässt sich nicht durch statistische Messfehler erklären.

Die Forscher um Wendy Freedman wählten wie Hubble und Riess die Methode der Standardkerzen. Sie verwendeten für ihre Messungen jedoch das neue ­James-Webb-Teleskop, auf dessen schärferen Aufnahmen sich die Cepheiden besser abzeichnen. Zusätzlich nutzten sie zur Entfernungsmessung benachbarter Galaxien zwei weitere Arten von Standardkerzen: Sterne, die sich am Ende ihrer Entwicklungsphase durch einen Lichtblitz bemerkbar machen, und kohlenstoffreiche pulsierende Sterne, die im infraroten Spektralbereich aufleuchten.

Dies hat nach Ansicht von Freedman und ihren Kollegen die Genauigkeit ihrer Messungen entscheidend verbessert. Denn Cepheiden sind keineswegs perfekte Standardkerzen. Ihre Leuchtstärke, die sich von Exemplar zu Exemplar ändert, ist keineswegs so genau bekannt, wie das Edwin Hubble noch selbst geglaubt hatte. Die Analyse der Gruppe aus Chicago liefert einen Zahlenwert für die Hubble-Konstante, der zwischen 68,8 und 71,1 variiert. Das Ergebnis decke sich im Rahmen der Messfehler mit dem Resultat aus den Planck-Daten, so Freedman. „Die Zahlen stehen im Einklang mit dem derzeitigen kosmologischen Standardmodell, ohne dass zusätzliche neue physikalische Elemente einbezogen werden müssen.“

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Für das Forscherteam um Riess sind die neuen Resultate nicht sehr überzeugend. Der Teufel liege im Detail: Je nachdem welche Eigenschaften für die drei Standardkerzen angenommen werden, würden sich unterschiedliche Werte für H0 ergeben. So präsentieren Riess und sein Team in ihrer Replik ihrerseits Werte für die Hubble-Konstante, die ebenfalls mit allen drei Standardkerzen ermittelt wurden. Sie liegen alle deutlich über dem Ergebnis aus der Verteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Auch kritisieren die Forscher aus Baltimore, dass Freedman und ihr Team gerade einmal die Geschwindigkeiten und die Distanzen von elf Galaxien untersucht haben. Das sei eine sehr kleine Zahl für die Bestimmung einer universell gültigen Konstante des Universums.

Weder die Arbeit der Gruppe um Freedman noch die Entgegnung von Riess und seinem Team sind bislang von unabhängigen Wissenschaftlern begutachtet worden noch haben sie grünes Licht für eine Veröffentlichung in einer ordentlichen Fachzeitschrift bekommen. Die Hubble-Krise wird somit wohl noch eine Weile andauern: Solange beide Seiten auf ihren Werten beharren und sich die Diskrepanz nicht erklären lässt, so lange bleibt also ein grundlegendes Detail der Urknalltheorie unverstanden. Für Kosmologen ist das eine durchaus interessante Situation. Denn nichts ist öder als ein Universum, in dem es nichts mehr zu erforschen gibt.



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