2024-11-03 14:05:00
Zum guten Schluss standen sie noch einmal wie im Spiel Seite an Seite zusammen und posierten vor der eigenen, prall gefüllten Fankurve für das Erinnerungsfoto an einen schönen Tag im Kraichgau. Der 2:0-Erfolg des Bundesliga-Aufsteigers FC St. Pauli bei der TSG Hoffenheim eine Woche vor dem Gastspiel des Tabellenführers FC Bayern München auf dem Kiez verschaffte den Hamburgern das seit Wochen vermisste Erfolgserlebnis im Serienbetrieb. Mit dem zweiten Saisonsieg nach dem Coup zum 3:0-Erfolg beim SC Freiburg am 28. September demonstrierten die Paulianer ihre zumindest situative, vielleicht sogar auf Dauer grundierte Bundesliga-Qualität entgegen vielen Unkenrufen.
Kein Wunder also, dass Trainer Alexander Blessin, zu Regionalligazeiten in der Saison 2005/06 ein brauchbarer Angreifer der aufwärtsstrebenden Hoffenheimer, „wahnsinnig stolz“ auf seine Mannschaft war. Das Team um den australischen Kapitän Jackson Irvine hatte nach zuletzt dürren Wochen mal wieder bewiesen, dass es auch gewinnen und nicht nur ordentlich mitspielen kann.
Folglich überließ die Mannschaft mit den wenigsten Treffern (sieben) und der viertbesten Abwehr (elf Gegentore) den Hoffenheimern gern den Relegationsplatz 16 und rückte dafür in den grünen Tabellenbereich. Eine Momentaufnahme, aber auch ein Beleg dafür, dass der Zweitligameister der vorigen Saison in der ersten Bundesliga gut genug sein könnte, um sich in der obersten Fußballklasse behaupten zu können.
Der 51 Jahre alte Blessin, auch als Fußballlehrer angriffslustig geblieben, hatte schon vor der Reise gen Nordbaden darauf verwiesen, dass seine Mannschaft in den neun Ligaspielen zuvor sieben Mal „richtig gut“ gewesen sei. „Da haben einfach ein paar Tore gefehlt“, hob der gebürtige Stuttgarter hervor. Dass bei der Hoffenheimer Pressekonferenz vor dem Spiel ein Fragesteller von TSG-Trainer Pellegrino Matarazzo wissen wollte, welches von den zwei jüngsten Heimspielen im Pokal gegen den Zweitligaklub 1. FC Nürnberg (2:1) und in der Meisterschaft gegen St. Pauli wohl das schwierigere sei, empfand Blessin als „respektlos“. Umso intensiver schwor er seine Spieler auf die Gewinnchance in der Bundesliga nach dem respektablen Auftritt bei der 2:4-Pokalniederlage bei RB Leipzig ein.
Und siehe da: Der FC St. Pauli war von Beginn an das Team mit der größeren Leidenschaft und Intensität im Kampf um den dringend erwünschten Sieg. Die Norddeutschen überzeugten mit ihrer Konterstrategie gegen zunehmend nervöser und umständlicher anmutende Hoffenheimer und hatten dazu das Glück, dass dem Engländer Oladapo Afolayan der Ball nach einem Zuspiel des Pauli-Kapitäns Irvine gegen das Schienbein prallte und von dort per ungewolltem Dropkick ins Hoffenheimer Tor segelte (20. Minute). Mit dem 1:0 war das Zeichen gesetzt, die Hoffenheimer noch mehr zu verunsichern.
Da Matarazzos Mannschaft ihre wenigen Gelegenheiten nervös vertat und dazu den eigenen Rückraum für Hamburger Konter immer wieder freiräumte, war es nur eine Frage der Zeit, bis St. Pauli ein zweites Mal zuschlagen konnte. Der 34 Jahre alte, in der 88. Minute eingewechselte dänische Mittelstürmer Andreas Albers vollendete den letzten Konter seines Teams, zu dem gleich drei Hamburger ausgeschwärmt waren, fünf Minuten später zum 2:0.
Ein Sieg mit Statement-Charakter für ein Team, das Meter für Meter auf dem Marathon gen Traumziel Klassenverbleib zusammenhält. Der Anführer Irvine, als zentraler Mittelfeldspieler auch der zentrale Spielgestalter seiner Mannschaft, war am Ende „stolz auf jeden von uns“, denn: „Wir glauben an uns und wissen, dass wir Tore schießen können. Sie kamen heute im richtigen Moment. Jeder von uns war aktiv, und niemand hat geschlafen. Wir haben gezeigt, dass es schwer ist, gegen uns zu treffen.“
Kein Wunder, dass Matarazzo, der innerhalb des Klubs nicht nur Freunde hat, am frühen Samstagabend „maximal unglücklich“ war, „da wir die Chance verpasst haben, uns zu befreien und unseren Trend fortzusetzen“. Die Hoffenheimer Mannschaft wirkte nach zuletzt drei Ligaspielen ohne Niederlage (ein Sieg, zwei Unentschieden) geradezu blockiert, als es galt, ein weiteres Statement gegen den Tabellennachbarn zu setzen. „Wir haben keinen Dauerdruck erzeugen können, um den Gegner zu schwächen“, lamentierte der Amerikaner, „dafür waren wir zu unpräzise und zu wenig vorwärtsgewandt.“ Es habe sogar ein, zwei Spieler gegeben, die „unkoordiniert gewirkt haben“. Dabei dachte der Trainer zuerst an den in der Pause ausgewechselten tschechischen Stürmer Adam Hlozek.
Dass die Hoffenheimer, auch in der Europa League und im DFB-Pokalwettbewerb gefordert, derzeit ständig im Stress und auf der Suche nach dem bestmöglichen Spielrhythmus sind, lässt Matarazzo als Argument gegen gelegentliche Aussetzer nicht gelten. „Wenn man auf dem Platz steht, geht es darum, zu leisten. Wenn ich nicht kann, muss ich meine Hand heben und sagen, ‚Coach, ich bin nicht fit und benötige eine Verschnaufpause.‘“ Am Samstag hätten einige Hoffenheimer die Hand heben können. Vielleicht waren sie dazu jedoch zu müde.
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