2024-06-02 17:13:00
In einer düsteren Stunde für den Afrikanischen Nationalkongress (ANC) hatte Fikile Mbalula doch noch einen Moment für einen Scherz gefunden. Der Sieg der „Orlando Pirates“, der Fußballmannschaft aus Soweto, gegen die „Mamelodi Sundowns“ aus Pretoria habe gestern seine Laune gebessert, sagte der Generalsekretär der südafrikanischen Regierungspartei am Sonntagmorgen im Wahlzentrum der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) nahe Johannesburg. Vorausgegangen waren drei Tage, in denen die ANC-Delegierten auf den Bildschirmen das größte Wahldebakel ihrer Partei in der Geschichte miterlebten, als die Stimmen für den ANC auf zuletzt nur noch knapp 40 Prozent rutschten, während uMkhonto weSizwe (MK), die Partei des früheren Präsidenten Jacob Zuma, sich sukzessive auf mehr als 14 Prozent verbesserte.
Erstmals seit der ersten demokratischen Wahl 1994 hat der ANC somit die absolute Mehrheit im Parlament verloren. Das ist weithin erwartet worden. Doch die Partei erlitt zusätzlich den höchsten Stimmenverlust von einer Wahl auf die andere. Weit entfernt ist das Ergebnis außerdem von dem Spitzenergebnis von knapp 70 Prozent im Jahr 2004. Auch an der Wählerbeteiligung lässt sich die Frustration vieler Südafrikaner nach den oft zitierten „30 Jahren Freiheit“ ablesen. Während in den beiden ersten demokratischen Wahlen mehr als 80 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgaben, waren es jetzt nur 58 Prozent. Und registriert hatten sich nur geschätzt zwei Drittel der erwachsenen Bürger.
Die Botschaft sei auch in der Parteiführung angekommen, sagte der Generalsekretär. „Die Aufgabe besteht jetzt darin, sich mit dem drohenden Untergang des Schiffes zu befassen.“ Wenn sich die Partei nicht stärker erneuere, gerate sie in Schwierigkeiten. Doch mehr als sechs Millionen Menschen vertrauten der Partei. „Wir sind noch da. Wir werden zurückkommen.“
Streit um das Wahlergebnis
Am Sonntagabend sollte die Wahlkommission das amtliche Ergebnis der Wahl bekannt geben. Doch die MK und kleinere Oppositionsparteien erhoben Einspruch und bemängelten Unregelmäßigkeiten. Der ANC-Generalsekretär wies diese Forderungen zurück. Er sei auch über einiges während der Wahl unzufrieden gewesen, aber solche Dinge passierten, sie hätten keinen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis. „Wir loben die IEC für ihre gute Arbeit.“ Die MK und mehrere kleinere Oppositionsparteien sprechen von Wahlmanipulation. Als verdächtig bezeichneten sie vor allem einen zwei Stunden langen Zusammenbruch des Computersystems.
Hinter den Kulissen laufen die Koalitionsverhandlungen derweil auf Hochtouren. In dem IEC-Zentrum waren in der vergangenen Woche schon Begegnungen zwischen Vertretern unterschiedlicher Parteien zu sehen, meist in entspannter Atmosphäre. Rein rechnerisch müsste sich der ANC für eine Mehrheit im Parlament mit einer der zwei großen Oppositionsparteien, MK oder der liberalen Democratic Alliance (DA), zusammenschließen oder mit den EFF und einer weiteren kleineren Partei. Die DA kam auf 22 Prozent und bleibt damit die größte Oppositionspartei, die EFF kamen auf knapp 10 Prozent. Auf kommunaler Ebene, beispielsweise in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg, hat es bislang wechselnde Koalitionen in verschiedenen Konstellationen gegeben, die sich jedoch als instabil und als kaum regierungsfähig erwiesen.
Ein von wenigen erwartetes Comeback auf der politischen Bühne feiert der frühere Präsident Zuma, der am späten Samstagabend überraschend einen großen Medienrummel in dem Zentrum verursachte. Wenn die Wahlkommission das Ergebnis am Sonntagabend wie geplant bekannt gebe, sei dies eine „Provokation”, sagte er. Die Beschwerden seien sehr schwerwiegend. „Fangen Sie keinen Ärger an, wenn es nicht nötig ist“, setzte er drohend hinzu.
Zuma darf nicht antreten, aber ist auf dem Wahlzettel
Der traditionsbewusste Zulu hat vor allem in seiner Heimatprovinz Kwa-Zulu-Natal eine große Anhängerschaft. Nachdem er vom Verfassungsgericht 2021 zu einer 15 Monate langen Gefängnisstrafe wegen Missachtung der Justiz verurteilt worden war, brachen kurz danach dort und in einer weiteren Provinz Unruhen mit Todesopfern aus. Wegen der damaligen Verurteilung hatte das Verfassungsgericht kurz vor dieser Wahl entschieden, dass Zuma gemäß der Verfassung nicht für das Parlament kandidieren darf. Auf den Stimmzetteln war sein Porträt trotzdem neben dem Logo der MK zu sehen. Der 82 Jahre alte frühere Widerstandskämpfer und Staatslenker hält auch an seiner ANC-Mitgliedschaft fest. Der ANC wiederum hat diese suspendiert.
In den Tagen nach der Wahl war vor allem Zumas Tochter, die 42 Jahre alte Duduzile Zuma-Sambudla, öffentlich in Erscheinung getreten. Ihr Vater sei offen, mit „progressiven schwarzen Parteien“ zusammenarbeiten, der ANC unter der Führung von Partei- und Staatschef Ramaphosa gehöre nicht dazu. Gefragt nach ihrer Rolle, hatte die Tochter bei früheren Gelegenheiten geantwortet, sie sei „der Hals, mein Vater ist der Kopf“.
Die MK hatte innerhalb weniger Monate einen professionellen Wahlkampf organisiert, einschließlich eines Auftritts Zumas im voll besetzten Orlando-Stadion in Soweto, dem Zentrum des Widerstandskampfs gegen die Apartheid. Zudem scheint die Partei bereits über funktionierende Gremien zu verfügen. Nach dem Wahltrubel wird die offensichtliche Finanzkraft der Partei viele Fragen aufwerfen.
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